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Themen dieses Kapitels:
Worüber reden wir, wenn wir über Liebe sprechen?
A) Antworten aus den UPANISHADEN und aus heutiger Sicht – Einladung zu einem „Brainstorming“ über ein Grundphänomen menschlichen Daseins. Fortsetzung des Gesprächs anhand des Textes: „Um des Selbstes willen“. B) LIEBE HEUTE. C) Zur Philosophie der Liebe heute D) Kann man eine „Philosophie der Liebe“ für heute entwerfen?
Ausführungen:
A) Diese Zusammenfassung hat zwei Teile: Erstens: einige kurze Erläuterungen zu einzelnen Versen des Textes (a) Zweitens: der Gedankenaustausch bzw. Stellungnahmen zum Text (b)
(a) . Anfangs wurde darauf hinweisen, dass der Text „Um des Selbstes willen“ aus der Brihadaranyaka – Upanishad 4, 5 zu den Grundaussagen der indischen Philosophie gehört. Ein Universalthema menschlichen Philosophierens kommt zur Sprache: eine Ehefrau fragt ihren (gelehrten) Mann, ob er zur Frage der menschlichen Unsterblichkeit etwas sagen kann. Die zunächst für sie verblüffende Antwort ist Inhalt der Textstelle.
4, 5, 1: Im ersten Vers ( Sanskrit: sloka) wird erzählt, dass (vor etwa 2500 Jahren) der brahmanische Gelehrte, Yajnavalkya, zwei Ehefrauen hatte, Maitreyi und Katyayani, wovon nur Maitreyi sich mit Grundfragen der Philosophie (Brahman // Atman) beschäftigt hatte. Katyayani dagegen hat sich offensichtlich mit Angelegenheiten beschäftigt, die zu den traditionellen Bereichen der Frauen gehören (Es liegt nah, dass die Familienstruktur mit heutigen Begriffen als „patriarchalisch“ bezeichnet werden kann). Weiter wird mitgeteilt, dass der Anlass für das Gespräch die Tatsache war, dass Yajnavalkya seine Familie verlassen wollte, da er in das Lebensstadium des „samnyasa“ (des Einsiedlers bzw. Waldasketen) einzutreten beabsichtigte. (Wir sprachen über die vier Lebensstadien) 4,5,2: Yajnavalkya wollte deshalb seinen „Reichtum“ teilen. (Wir sprachen kurz darüber, was „Reichtum“ ist. Wo fängt Reichtum an? Frage: ist Reichtum an sich das Problem?) 4,5,3: Maitreyi stellt an ihn eine Frage. Sie bezieht sich auf „die ganze Erde“. Sie möchte wissen, ob, wenn sie die „ganze Erde“ besitzen würde, dies eine Garantie für ein ewiges Leben wäre. Ihr Mann antwortet kurz und klar: sie würde wie andere Wohlhabende leben (und sterben!), auf Unsterblichkeit darf sie nicht hoffen. 4,5,4: Nun möchte Maitreyi unbedingt wissen, was Yajnavalkya über die von ihr gestellte Frage weiß. Sie bittet um Belehrung. 4,5, 5: Yajnavalkya antwortet zunächst mit einer Liebeserklärung an seine Frau. Sie war immer lieb und hat die Liebe sogar „noch vergrößert“. Deshalb wird Yajnavalkya nun mit ihr darüber reden und bittet um genaue (und liebevolle!) Aufmerksamkeit. 4,5, 6: Es folgt nun die zentrale Aussage des Textes. Bereits im ersten Satz ist die Struktur der darauf folgenden Sätze klar: „nicht um des Gatten willen ist der Gatte lieb, sondern um des Selbstes willen ist der Gatte lieb“. Die Aussagen über die anderen Gegenstände der Liebe, d.h. Gattin, Söhne, Reichtum, Tiere, Brahmanenstand, Kriegerstand, Welten, Götter, Veden, die Wesen, und das Weltall, werden mit denselben Worten formuliert. Am Ende wird gesagt, worum es wirklich geht: der Atman, das Selbst. Er ist der Grund und die Quelle von allem. Dies wird dennoch menschennah formuliert: ihn soll man sehen, hören, verstehen, über-denken. Nun folgt der Kernsatz: „ von wem das Selbst gesehen, gehört, verstanden und erkannt worden ist, von dem wird diese ganze Welt gewusst“.
(b) Es lag auf der Hand, dass die Aussage des Textes in der Grundformel „Um des Selbstes willen“ liegt. Denn: Menschen, Tiere, Stände, Besitz, Götter, heilige Schriften und der Kosmos werden um des Selbstes willen geliebt. Was ist damit gemeint? Ein spontane Reaktion aus der Runde: soll ich nicht einen Menschen um seines Selbstes willen lieben? Die naheliegende Frage: was hat das menschliche Selbst mit dem absoluten Selbst zu tun? diesem Zusammenhang wurde auf den Grundsatz der indischen Philosophie hingewiesen: die „Identitätsformel“: Brahman ist Atman (Chandogya – Upanishad). Damit wird gesagt, dass, wenn man über das „Selbst“ spricht, meint man das Absolute an sich: das Brahman. (In diesem Zusammenhang muss darauf hingewiesen werden, dass Brahman nicht mit „Weltseele“ übersetzt werden darf. Atman dagegen kann man als „individuelle Seele“ verstehen, besser wäre m. E.: das menschliche Selbst an sich). Diesen Fragenkomplex haben wir bei vergangenen Sitzungen immer wieder erörtert. Die Identitätsformel kommt eindrucksvoll zur Sprache in derselben Upanishad: 3, 14: 1, 3 – 4.„Wahrlich, diese ganze Welt ist Brahman. In der Stille soll man es verehren.Dieser ist mein Atman im Innern des Herzens, kleiner als ein Körnchen Reis, Gerste, oder Senf oder Hirse. Dieser ist mein Atman im Innern des Herzens, größer als der Himmel, größer als die WeltenAllwirkend, allwünschend, allriechend, allschmeckend, allumfassend, schweigend und ohne Kummer: dieser mein Atman im Innern des Herzens – das ist das Brahman. Zu ihm werde ich, hier verscheidend, eingehen. Wahrlich, wer dies glaubt, hat keine Zweifel mehr. Darauf erfolgt ein äußerst reger Gedankenaustausch darüber, was Yajnavalkya (Y) eigentlich sagen wollte, als er meint: Um des Selbstes willen sind die Ehepartner, Söhne usw. lieb. Ich bemühe mich einige Aussagen bzw. Stellungnahmen wiederzugeben. Eine spontane Reaktion wurde bereits oben erwähnt. Kann er das wirklich gemeint haben? Es fällt auf, dass es um die Quelle der Liebe an sich geht. Will Y seiner Ehefrau erklären, dass es um etwas geht, das über die eheliche Liebe hinaus geht, ja über die Liebe zwischen Frauen und Männern hinaus? Was kann das sein? Als Bewunderer von Immanuel Kant fällt mir ein Ausdruck ein: die Bedingung der Möglichkeit. Will Y fragen: wie kommt es überhaupt, dass wir einander lieben können? Kommt sie aus einer Quelle, die unser Vermögen übersteigt? Ich habe aus meiner persönlichen Erfahrung bei der Geburt meines Sohnes erzählt (Dafür möchte ich mich bei den Anwesenden bedanken). Einige Mitglieder der Panchayat haben mir Aussagen aus der Runde (und von mir!) mitgeteilt: z. B. „ es geht um ein bedingungsloses „Ja sagen“ zum anderen“ „dies kann nur aus unserem innersten Selbst kommen“ „das muss man entdecken, dass ich mich verlieben kann“ „was ist die Quelle?“ „hat der Mensch Sehnsucht hat nach dem Unendlichen? Kann man sagen, dass selbst Gott Sehnsucht hat“? B) LIEBE HEUTE.
a). Um des Selbstes willen – Fortsetzung der gemeinsamen Analyse des upanishaden Textes b). Wie denkt ein Mensch des 21. Jahrhunderts über die Liebe? 1. Zunächst wollen wir darauf hinweisen, dass der heutige Mensch Erbe seiner kulturellen Traditionen ist: jüdisch – christlich bzw. europäisch, indisch, chinesisch usw. Inwieweit ist das Denken über die Liebe in der Vergangenheit noch lebendig? 2 .Was haben wir aus unseren „Liebeserfahrungen“ in den letzten Jahrzehnten (d.h. aus dem reichen Schatz unserer sicherlich diversen Lebensentwurfe) gelernt? Ist es möglich, unsere persönlichen Ansichten über das „Wesen“ der Liebe zu formulieren und mitzuteilen (auch stichwortartig)? Jede Form der Äußerung ist willkommen. 3. Was sagt uns zu diesem Thema der deutsche Philosoph Wilhelm Schmid, Autor des Buches „Die Liebe neu erfinden“?
Auf die am Anfang der Sitzung in die Runde entlassene Bemerkung („ich nehme an, dass wir alle um des Selbstes willen hier sind, vielleicht sogar der „Liebe“ wegen“) folgte ein bunter Austausch der Gemüter. Es war kaum zu warten, dass bei den vielen Äußerungen von nahezu allen Anwesenden ein bestimmtes Muster fest zu stellen wäre. Denn Satyakama – Interes-senten sind Fragende – die Antworten sind unterschiedlich: Die „Liebe“ sei umfassend, durchdringend, ausstrahlend aber immer aktuell. Dass der Begriff „Gott“ in diesem Zusammenhang auftauchte, war naheliegend. Doch spannender ist die Frage „was weiß man über Gott“? Ein spontanes Angebot: gar nichts. Andere Angebote: Gott ist ein Wunsch; eine Antwort auf die Sehnsucht; die Liebe (!); Offenbarung; ein personales Wesen von unglaublicher Macht; das, was nicht gedacht werden kann; unfassbare „quantenhafte“ Energie; wer treibt die unvollendete Schöpfung voran? ist nicht die Schöpfung an sich der Schöpfer?; ein Abstraktum.
Es war m. E. notwendig, kurz auf das Grundfragen – Quadrat zu blicken. Denn beide Begriffe (Liebe – Gott) haben mit dem Verhältnis von Menschenbild und Weltbild zu tun. Sehr bald nach seinem Entstehen stellte der Mensch sein Grundparadigma fest: er ist sowohl räumlich als auch zeitlich begrenzt. Der Begriff „Gott“ deutet das Jenseitige an. In den sogenannten Weltreligionen spricht man von der Möglichkeit einer „Offenbarung“. Da die weiteren Äußerungen während der Sitzung nicht nur persönlich und spontan aber auch kontroverser Art (sogar gelegentlich an einander vorbei) waren, möchten wir einige nennen:
- kann Gott Sehnsucht haben? - „Gott ist wild und seltsam“ - was meinen wir eigentlich damit: Gott ist die Liebe? - wenn man von der eigenen Erfahrung ausgeht, kann man oft hören, Liebe ist etwas Wunderbares, sogar Ewiges. Kann man sagen, die Liebe muss von Gott kommen, sie ist deshalb die Quelle des Seins, des Menschseins? - wer oder was kann mich innerlich befreien? - wenn der Mensch nach dem Ebenbild Gottes geschaffen ist, ist es möglich, dass er Sehnsucht haben kann? - andererseits: gibt es überhaupt „Absolutes“? - was ist uns wirklich „lieb“? wodurch werden wir ins Herz getroffen? „verkaufe alles, was du besitzest, und folge mir nach“, sagte Jesus zu dem reichen (und gerechten) Mann - sind Nächstenliebe und Gottesliebe identisch, wie Karl Rahner meint? Yajnavalkya ist überzeugt: um des Selbstes willen ist alles andere lieb. - Gott ist schon da – in meinem Innersten. - „ich bin nicht die Quelle meines eigenen Seins“ - dass es Absolutes gibt, kann man nur in einer Liebesbeziehung spüren. - Wahre Liebe ist bedingungslos „Ja“ sagen.
C) Zur Philosophie der Liebe heute
a) Gemeinsamer Versuch, eine heutige Philosophie der Liebe zu entwerfen. Im Anschluss an das Gespräch vom 28. November wollen wir heute versuchen, die diversen Äußerungen bzw. Stellungnahmen sowohl zum Thema „Um des Selbstes willen“ sowie zu der Frage „wie denkt ein Mensch des 21. Jahrhunderts über die Liebe“ philosophisch zu durchleuchten, damit wir gewisse Einsichten in das Denken, Fühlen und Handeln unserer Mitbürger gewinnen können. 1. Als erster Schritt wollen wir einige Stimmen aus unserer Runde zu Wort kommen lassen (Kurzreferate), die sich auch auf zeitgenossische Denker (Erich Fromm, Martin Buber, W. Schmid, u. a.) ) Bezug nehmen. Dabei halten wir spontane Äußerungen von den Anwesenden für wünschenswert. 2. Ein zweiter Schritt wäre eine offene Diskussion über die dargebotenen Thesen, die von Mitgliedern der Panchayat moderiert wird. 3. Als dritter Schritt wird dann gemeinsam versucht, eine heutige Philosophie der Liebe möglichst kurz und prägnant zu formulieren Erster Teil A. Wir lasen nun weiter die Verse 4,5,7 bis 4,5,15 des Textes „Um des Selbstes willen“.
4, 5, 7: Yajnavalkya bemüht sich weiter, seiner Ehefrau die Allgegenwart des Atman nahe zu legen. Hat er bislang (S. Zusamenfassung vom Oktober 2012) stets den Ausdruck „um des Selbstes willen“ verwendet, so spricht er nun von der „Preisgebung“ (Deussens Übersetzung) des jeweiligen Gegenstandes, falls man den Gegenstand als „außerhalb des Selbstes“ versteht. Sollte ein Brahmane sich anmaßen, sein Brahmanensein so zu verstehen, d. h. für unabhängig vom Selbst zu betrachten, so verliert er sein Brahmanensein, er ist ihm abhanden gekommen. Sein Brahmanensein ist wertlos. Der indische Philosoph, S. Radhakrishnan (SR) gebraucht den Ausdruck „deserts him“ (verlässt ihn). Dies gilt auch für alle anderen Gegenstände. Denn nichts ist existent bzw. befindet sich „außerhalb des Selbstes“. Um dies zu verdeutlichen, wird in den Versen: 4, 5, 8, 9 u. 10 am Beispiel der Tonerzeugung aus Musikinstrumenten (Trommel, Muschel, Laute) gefragt: wie wird den Ton „gegriffen“? Gemeint ist offensichtlich: was ist der „Ur –Sprung“ bzw. der „Ur – Schöpfer“ bzw. die eigentliche Quelle des Tons? Die Antwort: der Musiker. So ist der Atman! Er ist der „Seher des Sehens, Hörer de Hörens“ usw. 4, 5, 11: wer bzw. was ist die Quelle der Rauchwolken? Die Analogie hier ist das Aushauchen (Atman hat etymologisch mit Atmen zu tun.) Gott selbst (d. h. das absolute Brahman, der Atman ist) hat alles ausgehaucht. In frühen Texten wird der Begriff „prana“ (Atem) mit „Leben“ übersetzt (Vgl. Genesis 1.) 4, 5, 12: Ähnlich ist es mit den diversen menschlichen Wahrnehmungs- bzw. Empfindungs-organen. Wie die Gewässer letztlich sich im Ozean vereinigen, so zielen alle menschlichen Erfahrungen auf den Atman hin. Der konkrete Mensch ist nicht „außerhalb des Selbstes“ sondern in ihm und bei ihm. 4, 5, 13: Die Salzklumpen – Analogie ist uns bereits begegnet (S. „tat tvam asi“). Sie wird hier verwendet, darauf hinzuweisen, dass der Atman weder „Inneres noch Äußeres“ hat. Er ist reine Erkenntnis. Der Hinweis auf die Weltelemente (bhutas) dient dazu, auf das Todes-verständnis aufmerksam zu machen (mehr dazu im Text über Karman auf Seite 7). 4, 5, 14: Der Text ist eingebettet in einem Gespräch zwischen Ehepartnern. Maitreyi ist „verwirrt“. Der Gatte meint: ich rede über den Atman, das Unvergängliche, das Unzerstörbare. Wohlgemerkt: in einer Liebesbeziehung entsteht die „Sehnsucht“ nach Ewigem! 4, 5, 15; Den Höhepunkt des Gesprächs wird in einer der Hauptaussagen der indischen Philosophie überhaupt erreicht. Alle vorangegangenen Erklärungen werden auf den Punkt gebracht. Der Kernsatz bzw. die „Definition“ lautet: Er, der Atman ist nicht so und ist nicht so“ (Sanskrit: neti, neti). Alles, das man über den Atman sagt, ist „haarscharf daneben“. Es gibt „nichts“ zu wissen. Das Allerschwierigste m. E. ist der letzte Satz: O Maitreyi, dieses, fürwahr, reichet hin zur Unsterblichkeit.
Zweiter Teil In der Einladung wurde vorgeschlagen, dass die Runde sich über die „Liebeserfahrungen“ äußert, die einem (man // frau!) in den letzten Jahrzehnten (Durchschnittsalter der Runde: über 50) zuteil war. Gemeint war: nicht persönliche Bekenntnisse, sondern persönliche Erkenntnisse. Es lag auf der Hand, dass die Äußerungen nicht nur divers und bunt ausfallen mussten, sondern auch, dass kein Versuch unternommen werden konnte, einen roten Faden zu entdecken. Fest zu halten ist, dass die Äußerungen wohlüberlegt, persönlich und auch spontan waren. Doch im Laufe des regen Gedankenaustausches war eine Tendenz klar. Auf die Frage, wie ein Mensch aus dem 21. Jahrhunderts über die Liebe denkt, war man geneigt, auf die klassischen Auffassungen der jüdisch – christlichen Tradition Europas hinzuweisen. Bald einigten wir uns, dass wir den weltweit (!) bekannten Brief des jüdischen – hellenistischen Denkers, Paulus von Tarsus, (1. Korinther 13) unter die Lupe nehmen. Die Kernaussage des Briefes: „Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei, aber die Liebe ist die größte unter ihnen“. Wie oft werden die Worte in diesen Tagen über die Lippen von Predigern und Gläubigen gehen! Die Runde fand sie beeindruckend. Doch im Sinne des Dialogverständnisses von SATYAKAMA muss man zunächst bedenken, dass das Denken von Paulus durch ein christliches Gottesbild geprägt war. Gemeint hat er: den Glauben an Jesus Christus, den man „Sohn Gottes“ nennt. Vorbild der Liebe war für Paulus das Leben und Denken von dem Nazarener, der gesagt hat, dass Liebe und Nächstenliebe untrennbar sind. (Aber worauf hoffen die Christen heute?) Aus philosophischer Sicht kann man sagen, dass Paulus den wahren Kern der Liebe offengelegt hat. Geht man von zwei normalsterblichen Menschen aus (die religiöse Früherziehung ist unerheblich), würde ich sagen, dass der Glaube dort anfängt, wo ein Mensch einen anderen bedingungslos bejaht. Dieses JA ist zugleich der Anfang der Liebesbeziehung, die in der Regel gar nicht so unproblematisch ist („ups und downs“). Entspricht dieser Lebensweg den Idealen von Paulus, so entsteht nach meiner Überzeugung die Hoffnung auf eine Zukunft, die zur Vollendung führt. Auf den Punkt gebracht: Glaube, Liebe und Hoffnung gehören zusammen. Aber darüber sollen wir miteinander weiter reden. . .
D) Kann man eine „Philosophie der Liebe“ für heute entwerfen? a) Was würde Yajnavalkya den Agnostikern und Atheisten bzw. den Gleichgültigen von heute sagen? Kurze Erläuterung: Bereits am Anfang des Gesprächs wurde die Frage erhoben: lässt der bislang erörterte Liebesbegriff nicht Menschen außer Acht, die sich als Agnostiker (oder auch Atheisten) bezeichnen? Tatsächlich hat sich das letzte Gespräch weitgehend mit den herkömmlichen Begriffen einer jüdisch – christlich - europäischgeprägten Tradition beschäftigt (z. B. Glaube, Liebe, Hoffnung). Es versteht sich, dass wir keineswegs nur diese Tradition behandeln. Das letzte Gespräch kann man vielleicht einerseits als Spiegel der Zusammenstellung unseres Kreises betrachten. Andererseits haben wir bislang den Begriff „heute“ nicht präzisiert. Daher haben wir den Titel für die nächste Sitzung etwas genauer formuliert.
b). Zunächst ist es angebracht, mit einigen Ergänzungen zu den Referaten (Fromm, W. Schmid) über zeitgenossische Auffassungen über Liebe, die im Umlauf sind, die Sitzung anzufangen. Andererseits halten wir es durchaus für möglich, dass Sie zwischen den Jahren selbst zu gewissen Einsichten gekommen sind, die sie uns gerne mitteilen wollen. Denn einige Zuschriften haben wir bereits erhalten. Wir freuen uns auf jede Äußerung.
c). Soeben ist uns ein SPIEGEL – Artikel aufgefallen: „Warum glaubt der Mensch und warum zweifelt er?“ Auch in Liebesfragen ist der Zweifel nicht auszuschließen
a. Kurzreferat b. Gedankenaustausch c. “Männerrunde“
a. Wie geplant, fing die Satzung mit einem Referat von Herrn Cornelius Peter über „Glauben, Hoffnung und Liebe“ an. Im Grunde ging Herr Peter mit den abrahamitischen „Religionen“ hart ins Gericht. Der Grundtenor seiner Stellungnahme wäre u. E.: Tyrannen, Religionsführer und Machthaber haben die genannten Begriffe geschickt gebraucht, um die Menschen zu manipulieren. Denn Liebe duldet nicht alles. Wenn sie „alles duldet“ (wie Paulus meint) ist sie letztlich neben der Angst nur ein weiteres Herrschaftsinstrument. „Angst und Liebe sind viel enger miteinander verknüpft als man gemeinhin annimmt“. Auch der religiöse Glaube wird aus Herrschafts-gründen gebraucht, um an Dogmen und Mythen fest zu halten. In diesem Zusammenhang kommt „dem sog kulturellen Gedächtnis eine entscheidende Bedeutung“ zu. Texte, Bilder, Symbole und Riten dienen dazu, die Realität zu manipulieren bzw. eine Realität vorzu-täuschen. Und „wir glauben unverbrüchlich daran“. Dafür ist die Bibel ein gutes Beispiel, „da sie mehr als 80 – 100 Jahre nach Jesu Tod niedergeschrieben wurde“. Hoffnung dient vor allem der „Verlagerung von Wünschen und Bedürfnissen in die Zukunft oder ins sog. Jenseits, damit sie die Herrschaft der Mächtigen in der Gegenwart nicht stören“. Sie ist nur ein „Herrschaftskonstrukt“. Herr Peter meinte, es sei „vielversprechender, eine Art von absichtslosem Wollen (oder Verlangen) zu pflegen Sinnvoller ist „diese Forderungen zuerst einmal an sich selbst zu stellen und deren Verwirklichung von sich selbst einzufordern“.
b. Da das Hauptreferat über Erich Fromm am 16. Januar stattfindet, wurden lediglich einige aufschlussreichen Gedanken von ihm zitiert. In seinem weiten Kreisen bekannten Buch über die „Kunst des Liebens“ überrascht er (denn er ist Psychoanalytiker, ein Linksintellektueller, seine eigene Auffassung sei: „keine theistische“) ) mit der Feststellung: „Liebe heißt, dass wir uns dem anderen ohne Garantie ausliefern, dass wir uns der geliebten Person ganz hingeben in der Hoffnung, dass unsere Liebe auch in ihr Liebe erwecken wird. Liebe ist ein Akt des Glaubens, und wer nur wenig Glauben hat, der hat auch nur wenig Liebe. Kann man noch mehr über die Praxis des Glaubens sagen?“ Er meint weiterhin, dass „unsere Mitmenschen uns immer ein Rätsel bleiben würden. Der einzige Weg zu ganzer Erkenntnis ist der Akt der Liebe“. Es wurde auf das bekannte Buch von dem deutsch-jüdischen Philosophen, Martin Buber, hingewiesen, mit dem Titel „Ich und Du“. Dies hat die Diskussion vor allem in christlichen Kreisen mitgeprägt. Buber vertritt ein dialogisches Prinzip. Damit meint Buber die Beziehungshaftigkeit des Menschen zum „ewigen Du“ Gottes. „Die verlängerten Linien der Beziehungen schneiden sich im ewigen Du“. Etwa: Ich bin ein Du, weil es ein Ewiges Du gibt. „Ihr ewiges Du haben die Menschen mit vielen Namen angesprochen (…) Aber alle Gottesnamen bleiben geheiligt“. Der ebenfalls bekannte jüdische Religionsphilosoph, F. Rosenzweig, schrieb: „Im Mund des Liebenden wird das Wort der Liebe nicht alt“. Danach wurden auch einige Aussagen aus dem „Handbuch Philosophischer Grundbegriffe“ (Hg. H. Krings u. a.) ins Spiel gebracht. Bei einem geschichtlichen Überblick wird die Liebe als der „umfassende Akt des Menschen“ bezeichnet, „der jener Wurzel des Selbstseins zugehört aus der allererst die einzelnen Vermögen entspringen. Das Vermögen zu lieben ist für den Menschen der unmittelbare Ausdruck des Vermögens als Person zu sein“. Weiter: „ich liebe den anderen, nicht um einzelner Eigenschaften, sondern um seiner selbst willen. Ich bejahe den anderen, weil er ist „wie ich“ d. h. Person (usw.). Besonders einleuchtend dürfte die Formulierung sein: in der Liebe kommen die beiden Partner zu sich selbst. Da jeder „in Wirklichkeit zu sich selbst kommt“ ist die Liebe „nie selbstlos“. Das Selbst des Liebenden wird offenbar: „in der Liebe zeigt der liebende Mensch, wer er ist“. Nach Goethe: „man lernt nichts kennen, als was man liebt“. c. Nach dem Gedankenaustausch befanden sich einige tapferen Männer in Libresso zusammen: bei einer fröhlichen, witzigen, nicht allzu feuchten „Nachsitzung“. Gesamturteil: toll.
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