Religionen und Religion heute


Wie bereits angekündigt, wollen wir eine Grundfrage des Menschen untersuchen, oder wie Kant sie formuliert hat: worauf darf ich hoffen? Die Aktualität des Themas ist kaum zu bestreiten. Dennoch: der Anlass zu diesem Thema, wie Sie wissen, war zunächst der Artikel von Susan Neiman (in „Die Zeit“, Nr.25, Juni 2013, Beiheft „Zeit Philosophie“) mit der Frage: „Was ist heute Religion?“. Die Frage nach Religion ist in erster Linie eine philosophische Frage. Sie gehört zu den Grundfragen des denkenden und fragenden Menschen. In diesem Rahmen wollen wir (angesichts der Rolle religiöse Ideologien in der heutigen Welt spielen) die Frage genauer präzisieren: Warum glaubt der Mensch? Warum glaube ich an dich? Warum glaube ich dir? Was ist Glauben überhaupt?
Natürlich spielt die Gottesfrage eine entscheidende Rolle in allen Religionen. Doch wäre darauf hinzuweisen: erst fragt der Mensch, dann glaubt er, Antworten gefunden zu haben.
Fragt er nach seinem Ursprung, seinem Menschenbild und nach seiner Zukunft, entdeckt er bald, dass die Frage nach dem Sinn menschlichen Lebens bzw. Daseins zu den eindring-lichsten aller Fragen gehört und nach einer unmittelbaren Antwort verlangt. Die Religion ist u. E. der Versuch, eine glaubhafte Antwort auf die genannten Fragen zu formulieren.
Wie steht es aber mit den Religionen? Dies hängt damit zusammen, dass die Antworten des Menschen auf dem Boden der jeweiligen Kultur entstehen, denn, wie die Philosophie weiß: der Mensch ist ein Kulturwesen (A. Gehlen). Fragen werden gestellt und Antworten werden gesucht in erster Linie innerhalb der eigenen Kultur. In diesem Sinne ist ein Dialog der Religionen stets ein Dialog („Polylog“?) zwischen Kulturen. (Wie Sie wissen, ist der interkulturelle Dialog ein Hauptziel von SATYAKAMA).
Gleichzeitig wäre darauf hinzuweisen, dass ein Dialog der Religionen unzertrennlich von der Frage des Nichtglaubens ist. Etwas einfacher formuliert: in der Kulturgeschichte hat es immer Menschen gegeben, die nicht an „Gott“ glauben. Dies ist besonders in unserer pluralistischen Welt auffallend, Nie zuvor waren Menschen, die sich „Atheisten“ nennen, so militant wie heute (Vgl. R. Dawkins: Der Gotteswahn). Muss man annehmen, dass Konflikte vorprogrammiert sind? Wieso? Auch diese Frage gehört unbedingt zu unserer Untersuchung.

Bei der letzten Sitzung haben wir uns bemüht, eine Strategie zu entwickeln, womit wir das Hauptthema (Religionen und Religion heute) zunächst „überblicken“, dann aber auch versuchen, die verschiedenen Aspekte der nahezu unüberschaubaren Problematik konkreter zu nennen. Das ist uns größtenteils gelungen. Wie die Zusammenfassung (unten) zeigt, gibt es eine Reihe von Themen, die uns persönlich interessieren und gleichzeitig auch zurzeit gesellschaftspolitisch aktuell sind. Deshalb möchten wir Sie um Ihre eigenen Vorschläge (eventuell auch Beiträge) bitten. Wir hoffen, danach bald eine Art „Themenreihe“ zusammen-zustellen und damit die religiöse Problematik fachgerecht zur Sprache zu bringen.

Zur Sitzung am 18, Februar 2015

Anfangs wurde darauf hingewiesen, dass die Grundfrage unseres Gesamtprogramms (Was ist der Mensch?) zugleich die Frage impliziert: was ist der gläubige Mensch? Unsere Ausgangs-frage ist deshalb: warum glaubt der Mensch überhaupt? Denn der denkende Mensch fragt und sucht Antworten, die ihm überzeugend und gleichzeitig „glaubhaft“ sind. Betont wurde, dass unsere Aussagen persönlich, ehrlich und möglichst „spontan“ sein mögen. Zunächst sollten wir versuchen, Themen zu sammeln (S. oben), die wir in künftigen Sitzungen unter die Lupe nehmen müssten.
Kurze Stellungnahmen zur Problematik machten zunächst Mitglieder des Fünferrats (Mitglieder, S. unten). Wir erwähnen einige Fragenkomplexe, die zur Sprache kamen:

„ Gott ist ein menschlicher Gedanke, ein Metapher, aber wo ist er angesichts Raketen im Weltraum?“

„Ich bin als Hindu (in Indien) geboren“. Kurzer Gedankenaustausch über „Hinduismus“ sowie „Kastensystem“. Beide sind keine religiösen Begriffe!

Ist der Glaube tief im Menschen verwurzelt? Ist der Mensch ein „Homo religiosus?“
Wie kommt der Mensch überhaupt zum Glauben?

Heidegger (sinngemäß): warum gibt es überhaupt etwas und nicht vielmehr nichts?

Philosophisch gefragt: „Kann man an gar nichts glauben?“ Was bedeutet „ungläubig“?
Buchtitel: „was glaubt, der nichts glaubt“ Ist ein „Nichtgläubiger“ auch ein Gläubiger?
Heißt „gläubig“ einfach „religiös“?
Begriffsklärung: Verhältnis von Glauben und Wissen.

Der Glaube und die moderne Physik. Was meinte Einstein mit seinem Satz: „Gott würfelt nicht“? Wie denkt die modern Physik über die Gottesfrage?

Glaube und Gott. Die Gottesbilder in den sog. Weltreligionen. Das Verhältnis von Mensch
zum Absoluten.
Der Glaube und der Tod.

FAZIT: Wir haben eine Menge Themen, über die wir miteinander reden könnten. Wir bitten Sie, mitzuarbeiten. Wenn Sie möchten, können Sie auch ein Referat halten. Oder auch einen Referenten vorschlagen, der bereit wäre, zu uns zu sprechen. Alle Anregungen werden im Fünferrat besprochen und Entscheidungen getroffen.
Der Fünferrat besteht z. Zt. aus: Die Damen Ursula Arnz, Elisabeth Adenauer und Esther
Weber-Fabian, sowie die Herren Cornelius Peter, Manvendra Parikh, Herbert Cahn und Heijo Heinrich.

Literaturhinweis Die beste Anthologie über die Religionen der Kulturen finden Sie bei:
Mircea Eliade, Geschichte der Religiösen Ideen (Herder Verlag) (auch als Paperback)
Helmut von Glasenapp; die Fünf Weltreligionen (Diederich Verlag)
TIP: Antiquarisch sind sie preiswerter.



Dieses Kapitel befasst sich mit folgenden Themen:

I) WARUM BZW. WAS GLAUBT DER MENSCH?
II) WAS NUN IST DER MENSCH? IST ER HOMO FABER. HOMO LUDENS, HOMO SAPIENS ODER HOMO RELIGIOSUS?
III) WAS IST RELIGION? (I, II, III )
IV) RELIGION HEUTE SOWIE IN DER ZUKUNFT: WAS SOLLEN WIR TUN?
V) WAS FÜR EINE KULTUR BIETEN WIR EIGENTLICH AN?



I) WARUM bzw. WAS GLAUBT DER MENSCH ?

Wie bereits am 18. März angekündigt, wollen wir das „Überblicken“ der Religions-problematik fortsetzen und zu Ende führen. Zunächst werden einige Mitglieder des Fünferrats
sich äußern und uns einen Blick in ihre persönlichen Biographien bieten. Danach wollen wir gemeinsam versuchen, die Frage zu beantworten: wie entsteht die Frage nach dem Glauben? Möglicherweise werden wir versuchen müssen, unser Verständnis der Begriffe „Glauben“ und „Religion“ zu erläutern und zu „definieren“, damit wir nicht aneinander vorbeireden
bzw. –diskutieren. Nochmals werden Texte aus der Frühzeit der Religionsgeschichte (Eliade) herangezogen. Es liegt nah, dass wir auch die Mythen der Kulturgeschichte in Betracht ziehen müssten.
Wir schlagen vor, dass Sie dazu dadurch beitragen, dass Sie über Ihre persönlichen Erfahrungen mit „Religion“ bzw. „Glauben“ reflektieren und uns kurz (!) mitteilen. Der Gedankenaustausch kann zu einer gewissen Klarheit über die Grundbegriffe führen. Danach müssten wir gemeinsam versuchen, uns für einige Hauptaspekte des aktuellen Themas ((ist der Mensch grundsätzlich ein Homo Religiosus? )) zu entscheiden, die wir dann in künftigen Sitzungen unter die Lupe nehmen könnten.

Zur Sitzung am 18. März 2015
Anfangs wurde darauf hingewiesen, dass wir unsere Frage (oben) auch so formuliert werden kann: wie entsteht die religiöse Frage? Was sucht der Mensch?
Nun meldeten sich zwei Mitglieder des Fünferrats zu Wort: Frau Esther Weber-Fabian und Herr Cornelius Peter. Wir versuchen einige Gedanken bzw. Überzeugungen von ihnen wiederzugeben (kein Anspruch auf Vollständigkeit).
Herr Peter ist de Überzeugung: „Wer anderen bedingungslos glaubt, vergisst sein eigenes inneres Wissen“. Doch meint er: „Religion ist „über das Unmögliche sprechen“.
Er spricht von einem dunklen Schleier zwischen „den Leben“, die im höheren Sinne alle
gleichzeitig stattfinden. Notabene erinnert er sich sehr präzise an seine Jugend auch an jene Jahre, die die Wissenschaftler dem Menschen jede Erinnerung absprechen. So hatte er im Alter von 4 Jahren einen Traum: „ich habe schon einmal gelebt“.
Er empfand die religiöse Erziehung als einen Prozess von „Angst einimpfen“.
Die etablierten Religionen lehnen Spiritualität und Mystik ab und verfolgen sie sogar.
Jeder soll sein Gottesbild selbst „ausgestalten“.
Die Religionsstifter haben die Lehre noch rein vermittelt Sie sind die durch die Religion
Manipulierten nicht die Manipulierer. Er warnt davor, die mit ihren „Nachfolgern“ gleichzusetzen, wenn man berechtigterweise die heutigen Lehren der Religion ablehnt.
Frau Weber-Fabian drückr zunächst ihre „Verwunderung“ aus, dass Herr Peter „genau weiß, was Religion und was Glaube ist“. Sie selbst möchte wissen: „was ist Glaube überhaupt. Was ist der Unterschied zwischen Religion und Philosophie?“. Sie wurde „getauft und konfirmiert“, das aber hat auf sie „keinen großen Eindruck gemacht“. „Ostern und Weihnachten feierte man, weil man dies einfach so tut“. Ihr Vater war mit „religiösen Fragen beschäftigt“, doch war sie (als er noch lebte) „noch zu klein“. Ihre Mutter hat sich für Anthroposophie und Esoterik interessiert. Das war für sie „ein wenig suspekt wegen der einfachen Antworten“. Dennoch kam sie „irgendwie zur Philosophie, zum Denken, dazu alles in Frage zu stellen“. Sie konnte über ihre Empfindungen und Erlebnisse frei Reden – das war ein „großes Geschenk“. Über Religion und Philosophie: „in beiden Fällen geht es um die Suche nach dem, was dahinter, darunter und dahinter ist“. Sie empfindet „ein gewisse Hemmung, die Worte Glauben und Religion zu benutzen“.

Noch andere persönlichen Aussagen (stichwortartig):
Herr Wollmer: Die Kleriker haben es nicht geschafft, Religion als substantielles Thema ernst zu nehmen. Erzählung aus dem Gilgamesh Epos: ein Urschrei der Menschheit nach Religion. Jesus war die Liebe selbst: „im Haus meines Vaters gibt es viele Wohnungen“.
Herr H. Srine: bezeichnet sich selbst als „überzeugter Agnostiker“. Er ist der Meinung, dass „die Kirchen als organisierte Vereine den gläubigen Menschen vorschreiben, wie sie ihren Glauben zu leben haben“. Den Verstand des gläubigen Menschen wird „ausgeschaltet“. Anstatt von „Religion“ zu reden, sollte man „christliche Philosophie bzw. Hinduistische Philosophie usw.“ sagen. Bezüglich die 10 Gebote. Das erste Gebot heißt: „Du solltest keine anderen Götter neben mir haben“. „Damit ist der Grundstein für die Intoleranz Anders-gläubigen gegenüber gelegt“.

Herr Peter: bezieht sich auf eine ägyptische Aussage (sog. Anana Papyrus, 1320 v. Chr.): „Für die Augen des Menschen hat Gott viele Gesichter, und so hält jeder, was er mit seinen Augen sieht, für den einzig wahren Gott. Und eben darum, weil sie alle auf ihre Weise Recht haben, täuschen sie sich doch und gehen in die Irre“.
Herr M. Parikh: „ich bin als Hindu geboren“. Er ist der Meinung dass man aus den persönlichen Erfahrungen eines Menschen, d. h. durch seinen Lebenslauf, Einsicht in sein Religionsverständnis bekommt. (Fortsetzung voraussichtlich in der kommenden Sitzung)

Es lag nah: wie entsteht die religiöse Frage überhaupt? Im weiteren Verlauf der Sitzung kamen folgende Gesichtspunkte zur Sprache.

Die unterschiedlichen Meinungen über Religion (inhaltlich) unter uns machte es nötig, zunächst an die Grundfragen des Menschen anzuknüpfen. Die Fragen nach „Glaube“ bzw. „Gott“ entstehen zuallererst als Antworten auf die Fragen, die der denkende Mensch grundsätzlich stellt: die Fragen nach Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, die von Kant neuformulierten Fragen (Wissen, Tun, Hoffen). Man kann (muss!) hinzufügen: der Mensch fragt immer über seine raumzeitlichen Grenzen des Daseins hinaus: Ewigkeit, Transzendenz oder eventuell „Nichts“?

Als Beispiel für das anfängliche (prähistorische) Fragen des Menschen (in erster Linie aus dem indo-europäischen Kulturkreis) lasen wir einen Text aus der Brihadaranyaka Upanishad (III, 9, 1-9). Darin wird ein großer Lehrer und Seher (ein rishi) gefragt: Wie viele Götter gibt es, Yajnavalkya? Zugleich wurde eine elementare Zeichnung über das dreiteilige Weltbild des Altsteinzeitmenschen (Paläolithikum: Himmelsgewölbe, Erde, Unterwelt) auch betrachtet. Seine zunächst verblüffende Antwort: 3306. Die Frage wird stets wiederholt und die Anzahl der „Götter“ (bei jeder Antwort) verringert sich bis auf „Einen“. Nun wird es deutlich, dass es um „himmlische Kräfte“ geht. Am Ende stellt sich heraus, dass der Lehrer zunächst auf die überirdischen Kräfte hinweist, dann auf die Weltelemente und schließlich auf das Leben an sich: „prana“. Dies wird Brahman genannt, das man später als das Jenseitige an sich (tyad), d. h. das Eine, bezeichnet. Es wurde darauf hingewiesen, dass der Begriff „Gott“ aus historischer Sicht etwas verfrüht ist. Der Mensch ist noch auf der Suche nach dem Weltschöpfer und dem Absoluten.

II) WAS NUN IST DER MENSCH? Ist er HOMO FABER, HOMO LUDENS, HOMO SAPIENS oder HOMO RELIGIOSUS?

Wir wollen zunächst den Anwesenden die Möglichkeit einräumen, sich spontan aus den eigenen Biographien (Erfahrungen) bezüglich der aktuellen Problematik (oben) zu äußern. Dies hat sich bei den zwei letzten Sitzungen als fruchtbar und durchaus interessant erwiesen.Doch lässt es sich kaum übersehen, dass dem Gedankenaustausch eine gewisse Klarheit bei dem Gebrauch der Begriffe „Religion“ sowie „Glauben“ fehlte. Dies liegt natürlich in der Natur der Sache, denn beide Begriffe haben mit höchstpersönlichen Lebensentwürfen der Kreismitglieder zu tun. Das wollen wir (vorläufig!) dadurch vermeiden, in dem wir einige „Arbeitsdefinitionen“ vorlegen (im Anschluss an die Fachliteratur), die den sachlichen Austausch zwischen uns vereinfachen bzw. ermöglichen könnten. Der nächste Schritt wäre, (wie bereits in April angekündigt), nach den prähistorischen Wurzeln der Religionen zu fragen. Denn Religionen haben eine Vorgeschichte, die damit zu tun hat, dass der Mensch sehr früh über die eigenen Grundfragen zu denken angefangen hat. Erst wenn wir uns darüber informiert haben, wären wir u. E. in der Lage, die religiösen Glaubenssätze sowie die Praxis von heute einerseits zu verstehen, andererseits aber auch zu „kritisieren“. In diesem Zusammenhang bieten uns die vielfach erwähnten „Ideen“ von Mircea Eliade (Vgl. Protokoll von 18. März) wertvolle Hinweise. Er beschreibt (Bd.1) z. B. sowohl die Bändigung des Feuers und die Anfertigung der Werkzeugen als auch die weiteren Entwicklungen bis zu den Wandmalereien und der Entstehung von Riten in der Altsteinzeit (Paläolithikum). Es ist kaum zu bestreiten, das die Anfänge der menschlichen Suche nach Antworten auf die Grundfragen wichtige Einsichte in die heutige Problemlage ermöglichen können. Denn die bisherige Diskussion hat sich weitgehend mit den offensichtlichen Schieflagen in vielen etablierten Religionen der Hochkulturen beschäftigt.

Zur Sitzung vom 15. April 2015

Anfangs wurde gefragt: wie viele Deutsche glauben an die Auferstehung? Dann wurde eine Statistik von „Die Zeit“ vorgelegt: es gibt 30 Millionen evangelische Christen, 29 Millionen Katholiken und 30 Millionen Atheisten. Man fragt: glauben Atheisten an „gar nichts“? Und wie ist es mit „Agnostikern“? z. B. Bertrand Russel! Ein Engländer versuchte, eine agnostische Haltung zu beschreiben: „O mein Gott, wenn es einen Gott gibt, rette meine Seele, wenn ich eine habe“.
Wir versuchen andere Gesichtspunkte, die zur Sprache kamen, stichwortartig anzudeuten.
der Unterschied zwischen „gläubig“ und „ungläubig“. „Auch ein Atheist ist gläubig“
die Fragestellung(en) in allen Religionen ist „gleich“. Die Probleme sind ähnlich. Es geht um den letzten Sinn, um „Absolutes“, um „Gott“.
Zwischendurch: ein Plädoyer für Vermeidung von Pauschalurteilen und Klischees.
Schon Nietzsche (in „Also sprach Zarathustra“) meinte „Gott ist tot“. Einige Jahre nach dem Krieg entstand eine „Gott-ist-tot“- Theologie (Paul van Buren).
Durch eine Bewegung (Guru Nanak) für religiöse Toleranz zwischen Hindus und Muslime entstand im 15. Jahrhundert in Indien der Sikhismus.
Was meinte der Papst mit dem Ausdruck „spiritueller Alzheimer“?
In buddhistischen Klöstern debattiert man täglich über religiöse Fragen. „Europäer müssen das lernen“. Religiöse Fragen sind ganz normale menschliche Fragen. Man soll sich sachlich informieren.
Die Christen erwarten die „Auferstehung der Toten“ (et exspecto resurrectionem mortuorem)
Die Grundfrage der Religion und des Glaubens: WORAUF HOFFST DU?



III) a) Was ist heute Religion? I Teil

Bei der Mai-Sitzung haben wir (provokativ?) die Frage gestellt, „Was ist nun der Mensch? Ist er Homo faber// ludens// sapiens// religiosus? Die Antwort lag nah: der Mensch ist technisch, spielerisch, denkend und religiös. Das war der Mensch von Anfang an. Der Gedankenaustausch war lebendig aber auch kontrovers (kurze Beschreibung unten). Nun lag auch die Frage nah: wie ist der Mensch heute? Die Philosophin, Susan Neiman, hat sich bemüht, darauf zu antworten: was ist heute Religion? ( Philosophie- Beiheft, Die Zeit, Juni 2013, S.20). Wir meinen, es würde sich lohnen, ihren Artikel unter die Lupe zu nehmen. Anfangs bemerkt sie: „die Zahl der Fanatiker in allen Weltreligionen (ist) rasant gestiegen“. Ganz interessant (für uns!) ist das Zitat von Habermas: Glaube und Wissen seien „komplementäre Gestalten des Geistes“. Neiman bemerkt selbst: Es ist „höchste Zeit, dass wir erkennen, wie viel Vernunft in der Religion und wie viel Glaube in der Wissenschaft steckt“. Im genannten Artikel stellt Neiman eine Reihe von Fragen, die uns sicherlich weiter beschäftigen werden. Denn sie erwähnt Themen, die uns sowie viele Menschen heute interessieren: die Aufklärung, der Gottesbegriff, Transzendenz und sogar: „was für eine Kultur bieten wir eigentlich an?“. Vielleicht entdecken wir einen „roten Faden“ für künftige Sitzungen.
Wir möchten Sie bitten, über die Hauptfrage (ganz oben) bereits vor der Sitzung nachzu-denken. Spannung ist vorprogrammiert !

Zur Sitzung von Mai 2015
Wie oben erwähnt, war die Sitzung in jeder Hinsicht recht aufschlussreich. Wir möchten die wichtigsten Gedankengänge kurz andeuten, in dem wir versuchen, die diversen Fragenkomplexe zu benennen und dabei auch auf einige der relevanten Stellungnahmen hinzuweisen.

Verständlicherweise lag die Frage nach einer genauen Begriffsklärung für „Religion“ und „Glaube“ im Raum. Einige Aussagen:
Die Religion ist immer eine Antwort auf eine Glaubensfrage. Religion fängt dort an, wo der Mensch beginnt, seinen Glauben auszudrücken. Der Glaube ist eine fundamentale Dimension des Menschseins. Bereits im Mutterleib erhält der Mensch die „erste Antwort“.

Ein Hinweis auf den Anfang der ersten christlichen Glaubenaussage (325 n. u. Z.): „ich glaube an den einen Gott“. Offensichtlich haben Menschen Antworten auf ihre Fragen gefunden. Welche Fragen? Fragen nach Ursprung, Gegenwart, Zukunft und über die eigenen Grenzen (Stichwort: Tod) hinaus. Erst eine Gesamtantwort auf die genannten Fragen kann meinem Leben einen Sinn geben. So entstehen verschiedene Religionen in diversen Kulturkreisen. Denn die Antworten sind (jeweils) anders.

Woher kommt „ das Gute“ und „ das Böse“? Liegt das Potential im Menschen selbst?
Hinweis auf die alten Mythen, die unser Denken bestimmt haben. Unterschiede in den Glaubensfragen (und den Antworten darauf) sind auf unterschiedliche geographische, historische und kulturelle Verhältnisse zurückzuführen. Durch die unterschiedlichen Glaubensverständnisse entsteht das Potential für Konflikt. (und Fanatismus?)

Die Sinnfrage: zum Menschsein gehört, dass der Mensch dauernd nach Sinn fragt. Aber wie weiß ich, dass mein Leben sinn – voll ist. Der (alte) Katechismus vertritt die Auffassung, dass der Mensch den „Willen Gottes“ tun muss, um (nach dem Tod) in den Himmel zu kommen. Manche sind der Meinung: „wir werden Gott nie finden“. Welcher Gottesbegriff liegt dieser Aussage zugrunde?

Zur Glaubensfrage gehört die grundsätzliche Fähigkeit des Menschen, dass er die Hoffnung nicht aufgibt. Wir sind und bleiben Suchende, eventuell mit der Hoffnung auf „Erlösung“ .Aber „Erlösung“? Wovon ?

Fragen der Selbstfindung: „zu mir selbst kommen: das ist das, was mir letztlich den Sinn gibt“
Aber wie kann ich zu mir „selbst kommen“? Wie kann ich über meinen (eigenen) Schatten springen? „Ich habe einen inneren Drang, zu suchen nach meinem eigenen Weg“. Der Glaube „entsteht“ bzw. „geht“ von Mensch zu Mensch. „Meinen Glauben habe ich von meiner Mutter empfangen“ (soll ein bekannter Theologe gesagt haben)


„Da sein“: d. h. In der Welt sein und nicht von der Welt sein (die Grundeinstellung von Mystikern und Heiligen). Doch gibt es die innere Sehnsucht: zum Kern der Sache zu kommen! Oder wie Dr. Faust sich ausdrückt: zu entdecken, „was die Welt im Innersten zusammenhält“.

III) Was ist heute Religion? II Teil

Ist unsere Welt „aus den Fugen geraten“? Das ist im Augenblick der Haupttenor der diversen Nachrichtensendungen sowie „Talkshows“. Welche Rolle spielt darin / dabei das Phänomen der Religion?
Wie Sie sehen, wollen wir diese Thematik weiter untersuchen und setzen unsere Auseinander-setzung mit den Ansichten der Philosophin, Susan Neiman, fort. In ihrem Artikel hat sie bereits am Anfang einige Ansichten zum heutigen Weltgeschehen vorgelegt, die einerseits gewagt, andererseits aufschlussreich sind. Sie fragt: ist das Projekt der Aufklärung gescheitert? Denn die Aufklärer wollte den Fanatismus „besiegen“, und zwar durch die Vernunft. Lassen die (heutigen) Menschen sich lieber durch den „Glauben als von der Vernunft“ leiten ? Sie zitiert Habermas: Glauben und Wissen seien „ komplementäre
Gestalten des Geistes“. Gegen Ende der Sitzung sprachen wir über ein epochales Thema, das Neiman hinzufügt: Wie viel Vernunft steckt in der Religion bzw. wie viel Glaube in der
Wissenschaft?
Es lag nah, dass wir nicht den ganzen Artikel besprechen konnten. Doch die anderen Fragen, die Neiman im Artikel erhebt, sind nicht weniger bedeutungsträchtig, vielleicht aber etwas gezielter. Waren die Aufklärer (bzw. war die Aufklärung) anti-religiös oder haben sie in erster Linie die heuchlerische Frömmigkeit angegriffen? Wollten sie etwa Platz für die Ehrfurcht schaffen? Viel schwieriger dagegen zu beantworten sind Fragen bezüglich „Fundamentalisten“ und „Fanatiker“. Denn sie gab es immer in der Religionsgeschichte. Die wichtigsten Fragen u. E. zu unserem Thema werden von Neiman nahezu beiläufig gegen Ende des Artikels erwähnt: Was für eine Kultur bieten wir eigentlich an? Sind wir in der Lage, Kindern das Gefühl zu geben, „das erwachsene Leben habe einen Sinn?“ Können wir Transzendenz nur dann erkennen, wenn sie fehlt?
Mit den ebengenannten Fragestellungen wollen wir uns am 26. August auseinandersetzen. . Wir hoffen, dass Sie angenehme Sommertage haben genießen können und freuen uns auf das Wiedersehen. -2-

Zur Sitzung vom JUNI – 2015

Wir versuchen nun, eine kurze Zusammenfassung des Gesprächs bei der Sitzung in Juni vorzulegen.
a)) Ist das Projekt der Aufklärung „gescheitert“? Betrachtet man die abendländische Geschichte der letzten 200 Jahre kann man dies sicherlich nicht allgemein bejahen. Dennoch muss man sagen, dass der europäische Mensch grundsätzlich (im Sinne von I. Kant) verstanden hat, dass er „Mut“ haben soll, sich seines „eigenen Verstandes“ zu bedienen und „sich seines Verstandes ohne die Leitung eines Anderen zu bedienen“. Ist er aber mündiger geworden? Dies kann man sicherlich bestreiten.
Was sind „ komplementäre Gestalten des Geistes“? (Habermas). Aus der Runde: Der Mensch ist nicht teilbar. Glauben und Vernunft gehören zum Menschen an sich. Der Glaube an die Allmacht der Vernunft ist gescheitert. Dennoch die Grundfrage bleibt: bestimmt das Sein das Bewusstsein (Marx) oder das Bewusstsein das Sein? Fest zu halten ist, dass die Aufklärung dazu geführt hat, dass wir heute in einer pluralistisch- globalisierten Welt leben. Sie hat den Prozess der Säkularisierung (auch in den anderen Teilen der heutigen Welt!) eingeleitet, wie Charles Taylor gezeigt hat. Auch die Aufklärung ist in diesem Sinne ein andauernder Prozess und darf prinzipiell nie „aufhören“. Hat die „Diktatur der Religion“ aufgehört? Ist dadurch eine neue Religionsfreiheit entstanden? Was haben wir mit dieser neuen Freiheit gemacht? Erleben wir in diesen Zeiten eine neue Art des religiösen Fanatismus? Seit den Anfängen der europäischen Aufklärung (Aufklärer!) hat man sich kontrovers über diese Fragen auseinander-gesetzt. Haben wir wirklich verstanden, dass man die Existenz eines absoluten Gottes nicht beweisen kann (Kant)? Selbst Thomas von Aquin hat von „fünf Wegen“ (quinque viae) zu Gott gesprochen. Nach dem Zweiten Weltkrieg sprachen einige christlichen Theologen von einer „Gott-ist-tot-Theologie“. (Vgl. F. Nietzsche: Alsosprach Zarathustra“). Evolutionisten wie R. Dawkins sprechen heute von „Gotteswahn“. Das Gespräch mit S. Neiman geht weiter.
ÜBRIGENS: Wir haben immer wieder bei den Sitzungen auf weitere Quellen bzw. Veröffentlichungen zu unserem aktuellen Thema hingewiesen. Nun möchte der Fünferrat auf eine preiswerte Anthologie von philosophischen Texten aufmerksam machen, die u. E. auch als persönliche Lektüre für die Übergangszeit (!) nützlich sein könnte. Sie ist im Reclam – Verlag erschienen. Der Titel: „ Was ist Religion? Texte von Cicero bis Luhmann“.

III) Was ist heute Religion? III Teil
Ist unsere Welt „aus den Fugen geraten“? Das ist im Augenblick der Haupttenor der diversen Nachrichtensendungen sowie „Talkshows“. Welche Rolle spielt darin / dabei das Phänomen
der Religion?
Damit hatten wir das Thema für die August – Sitzung eingeleitet. Mittlerweile haben uns hier (in der BRD) die Ereignisse im Nahen Osten „überrollt“. Dennoch: wir sind doch in der Lage eine Willkommenskultur zu gestalten – trotz diverser Unübersichtlichkeiten sowie Unsicher-heiten und Uneinigkeiten. Wie eine führende Politikerin meinte: „wir schaffen es gemein-sam“. Recht hat sie. Dennoch: wir sollten den „steinigen“ Weg zu unserem Ziel nicht unterschätzen.
Wir versuchen heute, das Gespräch mit Susan Neiman weiter zu führen. Wir machten bereits darauf aufmerksam (Zusammenfassung von der August-Sitzung), dass der Text von Neiman an vielen Stellen redaktionell gekürzt wurde. Die genannten Fragestellungen können wir
dennoch heute zur Sprache bringen.
Nun zu den Ereignissen auf der Weltbühne. Es versteht sich, dass jedes/e Gespräch bzw. Auseinandersetzung bezüglich das aktuelle Thema (Religion heute) zur Zeit sich zwangsläufig auch auf die täglichen Berichterstattungen in den Medien bezieht. Daraus entstehen Fragen, die man eventuell sofort in der Sitzung besprechen möchte. Wir schlagen vor, dass Sie sich spontan zu Wort melden. Wir sind sicher, dass die Moderation Wege findet, die Fragen bzw. Themen in den Gedankenaustausch einzubauen. Deshalb: halten Sie sich bitte nicht zurück.

Zur Sitzung am 26 August 2015

Gleich am Anfang wurde gefragt: hat die derzeitige Weltsituation mit der Religions-problematik zu tun?
Zugleich wurde gesagt: kann man von einer Wiederkehr der Religion oder einer Wiederkehr der Fanatiker sprechen?
Fest zu halten ist, wie immer, das Grundparadigma des menschlichen Denkens (Philosophie!): die Frage nach Ursprung, Gegenwart und Zukunft.
Einige Aussagen: es gibt heute keine klaren Antworten auf diese Fragen; wir stehen vor einem „philosophischen Scherbenhaufen“; „kann es sein, dass der Mensch eine Maschine ist?“

denn was hat der „Google-ismus“ uns gebracht?; wir denken immer noch in alten Denksystemen. Heute wird eine neue geistige Offenheit gefordert.
Die Frage nach Gut und Böse. Ist das Böse nicht ein Teil von uns selbst? Man darf aber „die alten Geister“ nicht siegen lassen. Kann man so genau zwischen Opfern und Tätern unterscheiden? Heute brauchen wir unbedingt eine Kultur des Miteinanderredens. Dies ist eine Integrationsfrage, die uns noch Jahre beschäftigen wird.
Neiman geht auch der Frage nach: war die Aufklärung gegen Religion oder gegen eine falsch verstandene Religiosität? Voltaire praktizierte Gesellschaftskritik, die keineswegs „blasphemisch“ war. Der Blasphemievorwurf, der zur Verurteilung und Tod führen konnte, ist auch heute aktuell (Vgl. Rushdie und der IS). Ist dies aber nicht religiöser Extremismus, der mit wahrer Religion nichts zu tun hat?
Neiman meint, die wichtigsten Philosophen der Aufklärung griffen die heuchlerische Frömmigkeit an, um „Platz für die Ehrfurcht zu schaffen“. Sie „ist ein Wert der uns im Gleichgewicht hält“. Relevant ist natürlich das, was Neiman darunter versteht. Die Meinungen in der Runde waren sehr unterschiedlich. Einige Reaktionen: „der Mensch ist stets in Gefahr, in Versuchung, sich selbst zu überschätzen“; „man soll Ehrfurcht haben, dort wo man seine Grenzen überschreitet“; „die Geschichte des Betens zeigt, dass der Mensch eine hoffnungsvolle Sehnsucht nach Transzendenz hat“. Selbst Fanatiker sind nicht unbedingt blind – „sie entscheiden sich ganz bewusst für eine scheinbare konkrete Lösung“. Das Gespräch geht weiter.
(Mitarbeit: E. Adenauer, E. Fabian)

IV) Religion heute sowie in der Zukunft: was sollen wir tun?

In der heutigen Sitzung wollen wir das Gespräch mit der Philosophin Susan Neiman zu Ende führen. Im letzten Teil ihres Artikels stellt sie Fragen, die sich auf die Zukunft beziehen: was für eine Kultur bieten wir eigentlich an? Sind wir in der Lage, Kindern das Gefühl zu geben, das erwachsene Leben habe einen Sinn, der „über die Anhäufung von Konsumgütern hinausgeht“? Das habe mit der menschlichen Würde zu tun. Sind Gläubige sowie Nichtgläubige in der Lage, „Transzendenz zu erkennen, vor allem dann, wenn sie fehlt?“
Wird es möglich sein, einen wahrhaften Dialog (der Kulturen / Religionen) zu führen?
Es liegt u. E. nah, dass die genannten Fragen mit der Zukunft zu tun haben. Was sollen bzw. wollen wir tun? (Vgl. unser Grundparadigma).
Wir schlagen vor, dass Sie, d. h. wir alle, uns mit den genannten Fragen beschäftigen und versuchen, einige (in erster Linie persönlichen) Antworten zu formulieren. Wir können auf den Gedankenaustausch bei der kommenden Sitzung sicherlich gespannt sein.

Zusammenfassung des Gesprächs am 16. September 2015

Fest zu stellen ist, dass wir (als Gesprächskreis) keineswegs darüber einig sind, was „Religion“ bzw. „Glaube“ sei. Wie die Sitzungen zeigen, liegen unsere Meinungen bzw. Überzeugungen weit auseinander. Doch stellen wir immer wieder (bei Satyakama) fest, dass die Vielfalt der Meinungen kein Hindernis sein muss, um miteinander offen und ehrlich zu kommunizieren. Man kann sagen: die Vielfalt ist die Grundlage, worauf wir versuchen, einander näher zu kommen und zu verstehen. Der wahrhafte Dialog fängt mit uns an.


Bei der September-Sitzung haben wir zunächst die Bemerkung von Neiman aufgegriffen, die Welt sei nicht in zwei Lager aufzuspalten – Vernunft und Glaube sind keine Gegensätze.
Bei den biblischen Beispielen aber, die Neiman anführt, können die jeweiligen Deutungen unterschiedlich sein. War die Opferung Isaaks eine Frage des Glaubens oder schlicht der Hinweis, dass es einen Gott gibt, der absolut allmächtig ist? Später haben die
„abrahamitischen“ Religionen (Judentum, Christentum, Islam, hiernach: JIC) die Erzählung unterschiedlich gedeutet. Neiman meint, die Erzählung über Sodom und Gomorrha war ein Versuch Abrahams, Gott eine Lektion über Gerechtigkeit zu erteilen. Die Tatsache, dass die Deutungen so unterschiedlich sind, ist eindeutig ein Beweis dafür, dass Vernunft und Glaube nicht trennbar sind. Denn der Mensch denkt und glaubt gleichzeitig. Man denke über die Geschichte von Kain und Abel. Außerdem ist eine strikte Unterscheidung zwischen Mythen und historischen Ereignisse nicht möglich. Dennoch: haben Mythen Relevanz für die Welt von heute?
Neiman hat sicherlich recht, wenn sie meint, es gehe heute um die Wiederkehr der Fanatiker , nicht der Religion. Fanatiker gab es immer in der Religionsgeschichte. Woher kommt der Fanatismus? Eine Antwort darauf müsste das jeweilige Menschenbild berücksichtigen.
Ist der Mensch an sich „böse“ oder „gut“? Menschen können gut und böse handeln! „Die Hölle und der Himmel sind in uns selber“ (eine spontane Aussage)
Einige Aussagen aus der Runde: „Glaube bedeutet Respekt und Geduld mit Fanatikern“ „Glaube ist eine Beziehungssache, die als Prozess stattfindet“. „Man entscheidet innerlich, was es heißt, Mensch zu sein.“ Wir reden weiter am 21. Oktober.



V) Was für eine Kultur bieten wir eigentlich an? I. Teil

Erläuterung zum Thema. Bei der Sitzung in Oktober haben wir versucht, die umfangreichste Frage von Susan Neiman (oben) genauer zu untersuchen Dies bedeutete, dass wir zunächst versuchen mussten, anhand einer Bestandsaufnahme, die gesamte kulturelle Situation heute (westeuropäisch / deutsch) in den Blick zu bekommen. Wir einigten uns darüber, dass wir versuchen sollen, eine Bestandsaufnahme anhand folgender Fragestellungen: wie sehen wir selbst unsere eigene Kultur? Wo stehen wir im Augenblick? Es geht um den Ist-Zustand. Wir fragen nach unserer eigenen Identität. Nicht zu trennen von den genannten Fragen ist Neimans Feststellung: „Eine Gesellschaft, die nicht in der Lage ist, Kindern das Gefühl zu geben, das erwachsene Leben habe einen Sinn, wird scheitern. Ja es geht um die Menschenwürde“ Damit richten wir unseren Blick auf die Zukunft.
Folgende Aspekte wurden vorgeschlagen, die zu behandeln wären: der politisch-gesellschaftliche, der wirtschaftlich-globale, der gesamtreligiöse. Es versteht sich, dass wir unseren Gedankenaustausch in der heutigen November - Sitzung fortsetzen müssten.





Zusammenfassung der Sitzung am 21. Oktober 2015

Es liegt auf der Hand, dass wir keineswegs den genauen Verlauf der Sitzung beschreiben können, denn die oben genannten Aspekte hängen eng miteinander zusammen. Dennoch: einige der wichtigsten Stellungnahmen lassen sich benennen.

Die Bestandsaufnahme
Aus politisch –gesellschaftlicher Sicht ist eine gewisse Orientierungslosigkeit fest zu stellen.
Doch kann man nicht von einer allgemeinen Hoffnungslosigkeit sprechen. Man kann von einer Unübersichtlichkeit sprechen. Andererseits ist eine Aufbruchsstimmung in einigen Teilen der Gesellschaft unübersehbar. Auffallend ist auch: die allgemeine Infragestellung von jeder Form von Autorität (und ein Verzicht darauf). Gibt es eine globale Gerechtigkeit? Man meinte, die heutige Situation wird eher als ungerecht „empfunden und erlebt“.

Die heutige Zeit wird als eine Periode der Umbrüche empfunden. Zivilcourage wird gefragt sowie Mut zum Handeln. Als besonders interessant wird Bundespräsident Gaucks Unter-scheidung von einem hellen und einem dunklen Deutschland empfunden. Beide gehören zusammen. Das ist auch eine Frage der Wahrheit bzw. der Wahrhaftigkeit. „Wir müssen zuallererst akzeptieren, wer und was wir sind“. Eine Kultur soll man nicht von einer Seite beurteilt werden.
Wenn es um den wirtschaftlichen Aspekt geht, ist die Allgegenwart der Globalisierung (weltweit) kaum zu übersehen. Wenn von Wachstum die Rede ist, hat man den Eindruck, dass es sich um ungebremsten, grenzenlosen Fortschritt handelt. Man liest, dass „99 Prozent des Reichtums der Welt in Besitz von 1 Prozent der Weltbevölkerung ist“. Führt der Kapitalismus zu Begrenzungen der Freiheit?
Wenn man die religiöse Landschaft betrachtet, kann man einerseits von einer gewissen Toleranz sprechen. Andererseits ist es kaum zu leugnen, dass der Fanatismus sowie Extremismus in allen Teilen des Gemeinwesens zu finden ist. Gibt es Grenzen der Toleranz? Beispiel: der IS hat große Teile von Syrien in seiner Macht.
Zu einer Bestandsaufnahme gehört die Tatsache, dass wir „heute die einzigartige Möglichkeit“ haben „radikal nach dem Menschen an sich, seiner Menschlichkeit und Unmenschlichkeit fragen zu können“. Auch die Gottesfrage kann man nicht übersehen: „wie kommst du auf die Idee, dass es einen Gott gibt?“ Andererseits: „was glaubt, der nicht glaubt?“
Wir waren der Meinung, dass die Auseinandersetzung fortgesetzt werden soll.

V) Was für eine Kultur bieten wir eigentlich an? II Teil
( Ist ein Konsens, zunächst unter uns, möglich?)

Wie Sie wissen, sind wir dabei eine Bestandsaufnahme unserer Antworten auf die oben genannte Frage zusammenzustellen. Damit wollen wir unsere Auseinandersetzung mit dem Artikel von Susan Neiman „was ist heute Religion“ fortsetzen, um, wenn möglich, zu einem Gesamtergebnis zu kommen.
Aber ausgerechnet mitten in der Weihnachtszeit erscheint ein Leitartikel in der Wochen-zeitschrift „DIE ZEIT“ vom 3. Dezember 2015, der die berühmteste Aussage des Immanuel Kant über den Menschen zitiert: „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen“.
Kann man sagen, unsere heutige Kultur bietet uns und unseren Kindern die nötigen Voraussetzungen, um unseren „eigenen Verstand“ zu bedienen? Müsste man nicht zwischen Weihnachtsmärkten, Tornados gegen den Islamischen Staat und einem Flüchtlingsnotstand eher daran zweifeln? Kant war der Philosoph der Vernunft und des Friedens. T. Assheuer meint: „kaum ein Philosoph hat unser Denken so geprägt wie Immanuel Kant“. Er erklärt weiter: „warum er (Kant) gerade in Kriegszeiten aktuell ist“. (Seite 49).
Was bedeutet dies für uns? Kann es sein, dass wir eine Neue Aufklärung anstreben müssen?
Was bedeutet das in der heutigen Zeit? Assheuer zitiert die berühmte Definition: „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines andern zu bedienen“.
Fazit: Sind wir nun in der Lage eine persönliche Antwort auf die Frage von Neiman (ganz oben) zu bieten?. Die Zusammenfassung der vorigen Sitzung von Frau E. Fabian (S. unten) kann sicherlich viele Anregungen bieten.
Eine Möglichkeit wäre: Ihre persönliche Meinung kurz (15 – 20 Zeilen) zu formulieren und uns zu mailen bzw. am Anfang der kommenden Sitzung am 16. Dezember Ihre Meinung vorzutragen.
Zusammenfassung

Die letzte Sitzung, überschattet von den Ereignissen in Paris und um die Frage nach unserer eigenen westeuropäischen Kultur (als Lebensstil) kreisend, offenbarte mehr Fragen als Antworten. Wie können wir friedlich zusammenleben und uns einander als Menschen mit
je eigener Würde begegnen, und zugleich unsere Verschiedenheit bewahren? Fragen und das Eingeständnis der eigenen Hilflosigkeit und Ohnmächtigkeit angesichts der Schwierigkeiten
im menschlichen Zusammenleben können nicht als Zeichen der Schwäche gewertet werden, sondern sie sind auch eine Chance zur kritischen Selbstreflexion, indem sie unser (Problem-) Bewusstsein schärfen und uns aufrufen zur Wachsamkeit und Aufmerksamkeit. Sie ermöglichen neue und auch kreative Räume des Denkens und Empfindens, in denen neue Wege entstehen können.

So grausam und brutal die Ereignisse auch waren, so ist es dennoch umso nötiger, wachsam und klar zu bleiben und an der eigenen Vernunft festzuhalten anstatt in kollektiver Hysterie zu versinken. Der Islam insgesamt ist nicht gleichzusetzen mit dem Islamismus, der eine radikalisierte und ideologische Form des Islam ist und dessen Grundlagen fraglich sind.

Neimans Frage „Was für eine Kultur bieten wir eigentlich an?“ zielt auf unser eigenes westliches Kulturverständnis und unserer westlichen Identität.

Udo di Fabio versucht in seinem Buch „Der schwankende Westen“ das westliche Kulturverständnis und das ihm zu Grunde liegende Menschen- und Weltbild zu klären.

Die Würde des Menschen als unhintergehbare Prämisse aller moralischen und rechtlichen
Verbindlichkeiten und die damit verbundene Autonomie (Selbstbestimmung) und
Freiheit des Einzelnen.
Ideale einer Kultur der Freiheit und Rechtstaatlichkeit.
Sowohl bei der Formulierung der Menschenrechte als auch das Grundgesetzes berief man sich bewusst auf die allen Menschen gemeinsame Vernunft und suchte eine rationale Erklärung, da es immer schwierig sein würde einen religiösen und weltanschaulichen Konsens zu finden, der repräsentativ für eine pluralistische Weltgemeinschaft sein könne, ohne Bezug auf die Formulierung eines spezifischen, religiösen Menschen- und Weltbildes.
> Durch die Berufung auf der Vernunft sollte ein für alle Menschen zugängliches
und für weitere Entwicklung offenes Fundament geschaffen werden, das über die
Verschiedenheit der Menschen hinweg das ihnen allen Gemeinsame betont.
Menschliches Miteinander gleichberechtigter und autonomer Individuen beruht auf
Gegenseitigkeit, Verantwortung und Konsens. (Diskussionen, auch heftige, gehören
dazu.)

Die Tatsache, dass unser Lebensstil auf diese Ideale gegründet ist, heißt nicht, dass wir sie auch überall und jeder Zeit realisiert haben. Ganz im Gegenteil, es gibt auch heute noch vieles, das dem widerspricht und an dem „gearbeitet“ werden muss.

Rassismus, Sexismus, Homophobie, religiöser Fanatismus, Extremismus
z.B. in der Wirtschaft: extreme, skrupellose Gewinnorientierung, Ausbeutung, unmenschlicher Funktionalismus und maßloses Effizienzstreben.
Missbrauch der Freiheit für die Belanglosigkeiten einer Spaß- und Wohlstandsgesellschaft.
Konsumorientierung,. Verdummung, Verflachung und Abrutschen in Eindimensionalität (besonders in den Massenmedien)

Freiheit ist nicht nur ein Recht, sondern auch eine Aufgabe, die immer wieder neu erstritten werden muss. Sie ist nicht unendlich sondern durch die Freiheit und Würde des Anderen begrenzt. Indem man die Würde des Anderen anerkennt, erkennt man die eigene Würde mit an. Prinzip der Gegenseitigkeit. Pressefreiheit, Meinungsfreiheit und Religionsfreiheit sind zwar Grundpfeiler einer funktionierenden Demokratie, aber wie weit dürfen sie gehen, gibt es Grenzen? (z.B. Ging Charlie Hebdo in seinem Verständnis von Pressefreiheit zu weit? Wie frei ist unsere Presse, sind unsere Medien? Wie sollen wir die Trivialitäten in den Medien bewerten). Wie schwierig menschliches Zusammenleben ist, erfahren wir nicht nur in der Politik sondern auch im familiären Bereich. Wie soll das Zusammenleben also klappen, wenn es schon im Kleinen (Familie) oft so schwer und mühsam ist? Und trotzdem dürfen wir unsere Bemühungen und Hoffnungen nicht aufgeben.

Die Auseinandersetzung mit Fundamentalisten und Extremisten wird dadurch erschwert, dass diese anders als der Rechtsstaat eine autoritative Wertesemantik besitzen, zwar bedingungslos ihre Rechte einfordern, ohne diese Rechtsordnung an sich und die Rechte bei anderen anzuerkennen.

Wir kommen so wieder zurück auf unsere Fragen:
Wie wollen wir leben?
Was ist ein gutes und erfülltes Leben?
Was heißt Toleranz wirklich?

Die dem Demokratie- und Freiheitsverständnis immanenten Schwierigkeiten fasst Karl Popper („Die offenen Gesellschaft“ 19945) folgendermaßen zusammen r

Paradoxon der Freiheit: Sie ist nur in Grenzer möglich. Grenzenlose Freiheit hebt sich
auf.
Paradoxon der Toleranz: Grenzenlose Toleranz, die auch die Intoleranten mit einschließt,
beinhaltet die Gefahr, dass die Intoleranten die Toleranz abschaffen.
Paradoxon der Demokratie: Wenn die Mehrheit eines demokratischen Volkes eine
nicht demokratische Partei wählt, ist die Demokratie vorbei.
Paradoxon des Antidogmatismus: Konsequenter Antidogmatismus wird selbst zum
Dogma.

Diese vier Paradoxa sind auch als Dilemmata der Demokratie und Freiheit zu verstehen.












































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r) Liebe nach den Upanishaden und heute