Themen dieses Kapitels:

A) Woher kommt das Gute? Zum Ursprung des Guten: Ansätze aus den Philosophien, Religionen und Kulturen des Westens sowie des Ostens.
B) Was ist ein guter Mensch?
C) Das Gute und der Glaube – was sagen Atheisten und Agnostiker dazu?



A. Woher kommt das Gute?

Zum Ursprung des Guten: Ansätze aus den Philosophien, Religionen und Kulturen des Westens sowie des Ostens

Wir haben zunächst den Weg zu dieser Fragestellung rückblickend erörtert. Es fing mit dem Thema an: die Suche nach einer neuen Spiritualität für das 21. Jahrhundert. Wie könnte dies aussehen? Nach dem Ereignis in Winnenden, wurde dies konkretisiert: gibt es Hoffnung auf eine gewaltfreie Zukunft für unsere Kinder? Schließlich: dies setzt voraus, dass es gute (liebevolle - gewaltfreie) Menschen gibt. Daher die Frage: woher kommt das Gute?
Wir stellten fest, dass der Begriff „Gut“ nahezu universal in unserem Sprachgebrauch verwendbar ist: gutes Essen, gute Laune, gutes Auto, gute Meinung usw. usw. Was ist das Gute? Antworten aus dem Kreis: „das, was der Menschheit dient“, „Ein Ziel, das an sich wertvoll ist“, „Maßstab für das Handeln“, „wie ist es mit der Polarität: Gut und Böse?“ - um nur einige zu nennen. Wir versuchten den Begriff zu klären. Aristoteles meinte, das Gute sei das Ziel, zu dem alles strebt. Das Gute ist nicht eine Eigenschaft unter anderen. Es überragt alles andere. Platon lässt Sokrates sagen: „das Gute selbst (ist) nicht das Sein, sondern noch über die Seiendheit an Würde und Kraft hinausragt.“ Das Gute ist eine Urgegebenheit jenseits des Seienden – das absolut Absolute! Die Griechen waren der Ansicht: es geht um Transzendentes. Erst in der Philosophie des Mittelalters wurde das Gute in die Reihe der „Transzendentalien“ eingeordnet. Ein Satz von Thomas von Aquin lautet: ens et unum, verum, bonum, pulchrum convertuntur“. Dies bedeutet: Die Seiendheit, das Eine, das Wahre, das Gute und das Schöne sind konvertibel. (Man könnte sagen: wer nach dem Guten strebt, strebt nach dem Wahren, dem Schönen, dem Einen und dem Seienden)
Die Frage lag auf der Hand: wie soll man nach dem Guten streben? Wir wendeten uns der Kulturgeschichte zu: wie haben die Kulturen versucht, aus Menschen gute Menschen zu machen?
B. In der Philosophie- und Religionsgeschichte ist das Phänomen der Personifizierung des Guten eindeutig. Was für die europäische Antike „theos“ und „deus“ sind, bezeichnen Hindus und Buddhisten als „deva“ und ist für uns heute „Gott“. Wenn Gott das Gute schlechthin ist, soll man nach ihm streben! Immerhin Glaubensfragen sind Fragen des Menschseins: ich glaube an etwas, weil das für mich gut ist. Es liegt auf der Hand, dass dies eine Frage des Handelns bzw. der Ethik ist. In den Weltreligionen werden unterschiedliche ethische Systeme entworfen, um den Menschen auf den guten Weg zu bringen. Für das Judentum sind die Zehn Gebote Gottes der Kern des guten Menschseins. In diesem Zusammenhang muss man das Hohe Lied Salomos nennen, wie auch die Empfehlung Gott mit Herz und Seele zu lieben: 5 Mose, 4 – 6. Im Neuen Testament nimmt der Mensch Jesus das Kreuz auf sich, d.h. er leidet für seine Mitmenschen. Sein Jünger Paulus weiß, dass der gute Mensch glauben und hoffen muss. Das größte dennoch ist die Liebe (1 Korinther, 13,13). Die dritte der abrahamitischen Traditionen, der Islam, weiß, dass alles Gute von Allah kommt, denn Allah ist langmütig, vergebend und barmherzig (Sure 4:110). Wer gut sein will, muss wissen, dass, „wer eine Sünde begeht, der begeht sie gegen sein eigenes Selbst“ (Sure 4:111).
In der Chinesischen Philosophie ist der gute Mensch der heilige Mensch schlechthin. Bei Lao – Tse heißt es: „Deshalb der Heilige Mensch: Ständig ist er gut, den Menschen zu helfen; Darum gibt es keine verworfenen Menschen. Ständig ist er gut den Wesen zu helfen; Darum gibt es keine verworfenen Wesen. Dies nennt man die doppelte Erleuchtung“. (Tao - Te – King, 27, 62.)



B)



Was ist ein guter Mensch

Wie kam es überhaupt zu dieser Frage? Wir blickten auf die Thematik der jüngsten Sitzungen zurück. Ausgangspunkt war die Frage nach einer neuen Spiritualität für das 21. Jahrhundert, die sich in der Frage konkretisierte: gibt es den inneren bzw. „spirituellen“ Menschen? Die Ereignisse in Winnenden waren der Anlass dafür, die Frage nach einer gewaltfreien Gesellschaft in der Zukunft zu stellen. Den Anwesenden wurde bald klar, dass nur eine Gesellschaft, die aus guten Menschen besteht, erreichen kann, dass man gewaltfrei handelt. Daher die Anfangsfrage.
Bereits bei der letzten Sitzung wurde darauf hingewiesen, dass die Griechen meinten, alles Seiende strebe nach dem Guten. Dazu muss man sagen: wir alle (Menschen) wollen Gutes (das Beste!) für die Menschheit – wir gehen davon aus, dass alles besser wird. Das Streben nach dem Guten bzw. nach dem guten Leben ist tatsächlich eine Grundfrage der Philosophie. Man muss aber auch feststellen, dass der Mensch nicht nur das Gute personifiziert hat, sondern auch das Nicht-Gute: in der Bibel z.B. der Teufel. In manchen Religionen geht man von einem Kampf zwischen zweierlei absoluten Mächten aus: eine Gute und eine Böse. Für uns erheben sich die Fragen: ist das Gute bzw. Böse außerhalb oder innerhalb von uns, und ist alles, was nicht gut ist, schlecht?
Auf dem Gebiet der Medizin kann eine kleine Menge einer an sich giftigen Substanz heilend wirken. Auf dem Gebiet der Erziehung sagte man einmal: der Verzicht auf die Prügel(-strafe) verdirbt das Kind (spare the rod and spoil the child - ein englisches Sprichwort). Außerdem muss man nicht manchmal einem Kind die volle Wahrheit ersparen, weil es sie eventuell nicht verkraften kann? Ein deutsches Sprichwort lautet: der Weg in die Hölle ist mit guten Absichten bepflastert. Was gut ist, wird sowohl vom Ziel als auch vom Ursprung her bestimmt (Prinzip der organischen Einheit). Sagen wir nicht gelegentlich, dass das Gute und das Böse sehr dicht beieinander liegen? Kann die Antwort vielleicht sein: ein guter Mensch ist derjenige, der stets bemüht ist, für das Gute und gegen das Böse zu kämpfen?

Wie haben andere Kulturen versucht, den Dauerkampf zwischen Gutem und Bösem in den Griff zu bekommen? Anhand eines bekannten Bildes von Kali sahen wir, dass, obwohl Kali als eine abschreckende Macht dargestellt wird, ihre Einheit mit dem sich im kosmischen Schlaf befindenden Shiva gleichzeitig betont wird. Hier wird die Auffassung vertreten, dass der Kampf im Innersten des Menschen selbst stattfindet, aber dass die Lösung auf der mystischen Ebene zu suchen ist. Der Weg zum Guten ist letztlich ein Kampf um Befreiung, der Weg zur Freiheit. Die nächste Frage lag nah: setzt dies den Glauben voraus? Was würde ein Atheist dazu sagen?



C) Das Gute und der Glaube

– was sagen Atheisten und Agnostiker dazu? Der Philosoph. Hans Albert (ein kritischer Rationalist) über den Sinn des Lebens ohne Gott.

Wie ist das Verhältnis zwischen dem Guten und dem Glauben? Wenn das Streben nach dem Guten den Glauben voraussetzt, was würden Atheisten und Agnostiker dazu sagen? Zunächst muss man feststellen, dass die Antwort einen bestimmten Gottesbegriff voraussetzt. Im europäischen Rahmen bedeutet der Begriff Theismus der Glaube an einen personalen Gott. Müsste man dann sagen, dass die Buddhisten Atheisten sind? Es ist immerhin auffallend, dass für „gläubige“ Menschen, Theismus selbstverständlich ist. Im philosophischen Diskurs hat man zwischen theoretischem und praktischem Atheismus unterschieden. „Theoretisch“ würde heißen, dass es keinerlei praktische Konsequenzen (Lebensstil usw.) gibt. Sind wir nicht alle heute praktische Atheisten?
Die Christen wurden anfangs athenoi genannt, denn sie nahmen nicht am römischen Kultleben teil. Im europäischen 17. Jahrhundert wurde weitgehend gedacht, dass Glaube und Vernunft im Prinzip als eine Harmonie verstanden werden können. Doch als Spinoza den Gottesbegriff in Zusammenhang mit dem Naturbegriff brachte, wurde er pantheistisch genannt und verurteilt. Vor Kant blieb der Harmoniegedanke an der Oberfläche. Kant räumte jedoch ein, er könne auch nicht beweisen, dass es Gott nicht gäbe. Dies führte zum „Atheismus – Streit“ im Zeitalter des Idealismus (Fichte). Die schärfste Religionskritik durchdringt das 19. Jahrhundert. Man muss dennoch feststellen, dass Feuerbach (der „Materialist“) mehr daran interessiert war, dass der Mensch zu seinem Recht kommt
. Und auch Karl Marx wollte ein Paradies auf Erden für arbeitende Menschen. Nietzsche hat zwar erklärt, der geglaubte Gott der Christen sei tot. Sein Hauptanliegen aber war m. E.: der Neue Mensch d.h. der Übermensch.
In der heutigen Gesellschaft, waren wir miteinander einig, denken wenige, dass es notwendig ist, an einen personalen Gott zu glauben, um ein guter Mensch zu sein. Heißt das aber, dass wir an nichts glauben? Wir kamen schließlich zu der Frage: womit hat der Glaube zu tun? Hat der Glaube nicht in erster Line mit dem Sinn des Lebens zu tun?




Druckbare Version

e) Eine neue Spiritualität für das 21. Jahrhundert
g) Die Frage nach dem Sinn des Lebens