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Themen dieses Kapitels:
Eine neue Spiritualität für das 21 Jahrhundert? A) Wie geht die Philosophie damit um? B) Die Krise der alten Spiritualität – kurze Geschichte der Entwicklung in abendländischen Gesellschaften. C) Der Dialog zwischen Europa und östlichen Kulturen (China, Indien, Japan) D) Wie soll eine neue Spiritualität für uns und unsere Kinder aussehen?
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A) Wie geht die Philosophie damit um?
Das Wort „Spiritualität“ leitet sich von dem lateinischen Begriff „Spiritus“ ab und wird in der deutschen Sprache mit „Geist“ wiedergegeben. Der Begriff „Spiritus“ wiederum ist die Wiedergabe des griechischen „pneuma“ (Luft), das in dem hebräischen Teil der Bibel als „ruach“ erscheint. „Ruach“ bedeutet Atem (Vgl. Genesis, 2, 7b,c: „so ward der Mensch ein lebendiges Wesen“). Man kann sagen: Geist bzw. Spiritualität hat mit Menschsein bzw. mit Menschwerdung zu tun. Damit war die sprachlich – inhaltliche Klärung des Begriffs nicht abgeschlossen. Denn im täglichen Sprachgebrauch wird „Geist“ häufig in Zusammenhang mit „Seele“ gebraucht. Was ist der Unterschied? Es handelt sich um das jeweilige Menschenbild: man spricht von Körper und Geist, von Leib und Seele. Hat Spiritualität nichts mit Körperlich-Materiellem bzw. mit Leibhaftem zu tun? Oder geht es hier um den ganzen Menschen (Ganzheitlichkeit)? Die Klärung der Sachlage wird weiter erschwert, wenn man den Menschen als Ich, als Person und als Selbst bezeichnet (sind Buddhisten nicht spirituell, weil sie die Seele bzw. das Ich leugnen?) Man kann vielleicht einen Zugang zur Bedeutung von „Spiritualität“ finden, wenn man die Grundfrage der Philosophie in Betracht zieht: was ist der Mensch? Man kann weiter die Frage stellen: gibt es möglicherweise den „inneren Menschen“? Was ist darunter zu verstehen? (Es wäre interessant zu wissen, was die Hirnforscher dazu sagen: „Er sprach aus dem ganzen Herzen“). (Eine stille Phase wurde eingebaut, um dem inneren Menschen näher zu kommen) Aber zunächst war es notwendig, die diversen oben genannten Begriffe in Einklang zu bringen. Wenn Aristoteles von Seele spricht, meint er das Lebensprinzip eines Lebewesens. Für die Griechen ist der Mensch ein denkendes Tier. Der Begriff Geist hat damit zu tun, dass der Mensch Bewusstsein und Selbstbewusstsein hat. Darum kann er „Ich“ sagen, er ist eine Person. Spiritualität hat damit zu tun, dass der Mensch seine innere Einheit sucht, um Mensch zu sein. Er will „bei sich selbst sein“ und er unternimmt gelegentlich, „eine Reise zu sich selbst“. Wie hat er das versucht? Darum geht es in der Spiritualität.
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B)Die Krise der "alten" Spiritualität
– kurze Entwicklung in abendländischen Gesellschaften
Die diversen Begriffe, die mit „Spiritualität“ zusammenhängen, wie z. B. Geist, Seele, Selbst, führen zu der Grundfrage: gibt es den „inneren Menschen“? Was meinen wir damit? Die Antworten haben mit der Selbstfindung des Menschen zu tun: der Weg bzw. die Reise zum Selbst. Man muss feststellen, dass dies ein uraltes Anliegen des Menschen ist. Die Pilgerrouten in den alten Kulturen weisen darauf hin, dass das Reiseziel einerseits ein bestimmter Ort ist, andererseits aber, dass das Ziel innerhalb des eigenen Selbst liegt. Dies verbindet die alten Sucher mit dem Sucher von heute. Was ist das Neue im 21. Jahrhundert? Es ist offensichtlich, dass der heutige Sucher nicht unbedingt ein „Gottessucher“ ist. Die traditionellen Gottesbilder sind nicht gefragt, es gibt jedoch eine gewisse Sehnsucht nach „Umfassendem“. Man will das Ganze erfassen, es bleibt aber außerhalb der eigenen Reichweite. Auf alle Fälle ist man “kosmologisch“ eingestellt. Dies bedeutet eine neue Einstellung zur Einheit von Welt und Natur. Auffallend ist, dass die neue Suche nicht unbedingt dem Einzelnen vorbehalten ist, sondern als eine gemeinsame Suche „von allen Menschen und mit allen Menschen“ stattfindet, die alle vorhandenen Strukturen sprengt und sich kaum einfangen lässt. Die Autorin des Rundfunkbeitrags über „Spiritualität für das 3. Jahrtausend“ plädiert für ein neues Denken, das ganz neue Akzente setzt: das Ganze statt der Teile, Prozess statt Struktur, Netzwerk statt Bauwerk und Annäherung statt Wahrheit. Die neue Denkweise setzt sich langsam sowohl in der Gesellschaft als auch im persönlichen Leben durch, z. B. das Bemühen um Ganzheitlichkeit im Gesundheitssektor, das Verstehen von Prozessen in persönlichen Beziehungen (die Liebe!), das Durchschauen von politischen sowie wirtschaftlichen Verhältnissen als ein globales Netzwerk und (vielleicht das Wichtigste) die Wahrheit sehen als ein andauerndes Unterwegssein zum Wahren. Wohin soll das neue Denken führen? Es führt notwendig zu einem neuen Menschenbild: jenseits von allem Dualismus und mit Einbeziehung der Ergebnisse der Hirnforschung. Das neue Weltbild bedeutet ein neues Verständnis, wie „Welt“ entsteht: ist die Welt „da“ oder schaffe ich meine Welt? Notwendig ist außerdem ein neues Sprachverständnis und eine neue Hermeneutik, die die postmoderne Semiotik einbezieht. Eine neue Spiritualität, meint die Autorin, wird entstehen aus einer Begegnung: zwischen dem Abendland, fernöstlichen Kulturen und der modernen Naturwissenschaft.
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C) Der Dialog
zwischen Europa und östlichen Kulturen (China, Indien, Japan)
Brauchen wir eine neue Spiritualität? Aber wir mussten uns mit dem Attentat in Winnenden beschäftigen (im Laufe des Nachmittags merkten wir, dass dies ein Anliegen von uns allen war). Aber wie? Ausgehend von der Frage WARUM? (Titelseite einer Lokalzeitung am Tag nach dem Attentat) haben wir uns gefragt: an wen richtet sich die Frage? Wer soll darauf antworten? Doch leitet uns die Frage auch zu der Feststellung, dass die Frage WARUM? mit den Grundfragen der Philosophie überhaupt zu tun hat, denn Fragen nach Leben und Tod sind die radikalsten aller Fragen. Die Zusammenfassung von den Grundfragen (was ist der Mensch?) müsste man neu formulieren: was sind wir für Menschen, dass Winnenden möglich war? (Man sagt: Winnenden ist überall!) Wir haben uns darüber geeinigt, dass wir in der Sitzung genauer auf die Grundfragen eingehen. Es geht zunächst um die Frage: was WISSEN wir? Feststellen muss man: wir sind ratlos, unsere Ratlosigkeit ist nahezu absolut. Noch genauer: wir stoßen an die Schnittstelle (bzw. die Grenzen) von Philosophie und Religion. Wir wissen, dass es eine starke (latente) Gewalt-bereitschaft in der Gesellschaft gibt. Wo? Diese Bereitschaft ist keineswegs auf Computerspiele beschränkt. In den Fußballstadien ist aggressive Sprache nahezu „normal“. Der Gegner wird als „Feind“ beschimpft (Man redet ja von „Wettkampf“). Was für ein Menschenbild haben wir? (Krimis im Fernsehen gehören zu unserem „ täglichen Brot“) Haben die Medien nur auf unsere „Gier“ reagiert und entsprechend respektlos und voyeuristisch berichtet? Die Frage WARUM? richtet sich an uns alle: in den Familien, Schulen und am Arbeitsplatz.. Die nächste Frage: Was sollen wir TUN? Menschen im ganzen Land haben „getrauert“. Viele Menschen haben versucht, die Leidenden zu trösten. In unserem Gespräch haben wir nach „Trost“ und „Trauer“ gefragt. Trost beinhaltet Nähe, Wärme, buchstäblich die Hand reichen. In wieweit sind wir fähig, dies wirklich zu tun? Haben wir Eltern und Lehrern dies beigebracht? (Man hat bald festgestellt, dass es nicht ausreichend Fachpsychologen gab). Dennoch: ein Kind wird vom “ganzen Dorf“ erzogen (d.h. von uns!). Mahatma Gandhi meinte: Gewaltlosigkeit ist die Wahrheit. Ist eine neue Philosophie der Gewaltfreiheit nötig? Trauer bedeutet, dass wir gemeinsam miteinander und füreinander still sein können. Andererseits fragt Trauer nach Ausdruck: das Anzünden einer Kerze, das Hinlegen von Blumen, aber auch symbolkräftige Rituale, die uns alle binden und verbinden. Es muss Raum für das Weinen geben und auch dafür, unsere Ratlosigkeit himmelschreiend zu gestalten: im wahren Gebet, das versucht, mit dem Unfassbaren ins Gespräch zu kommen (Vgl.Jeremia) Die dritte Frage: was dürfen wir HOFFEN? Über die Jenseitshoffnungen der Religionen bzw. Kulturen hatten wir bereits vor kurzem gesprochen (siehe unter "Bisherige Themen). Sind die „klassischen“ Antworten bzw. Vorstellungen für uns und unsere Kinder heute relevant? Doch müssen wir über unsere Hoffnungen reden – die Kinder haben ein Recht darauf. Dennoch: wie vermittelt man Hoffnung? Womit hat Hoffnung zu tun? Die Hoffungsfrage hat sowohl mit dem eigenen Menschenbild als auch mit dem Weltbild (und evtl. dem Gottesbild) zu tun. Die Kernfrage: kann man Hoffnung „geben“? Es fällt auf, dass wenn Menschen vor einer Lebens - Entscheidung stehen, der Hoffnungsvermittelnde sich bemüht, dem Verzweifelten so nahe wie möglich zu sein, ihm zu versichern, er sei bei ihm und bemühe sich, ganz bei ihm zu sein. Es soll eine gegenseitige Berührung im Innersten stattfinden. Nur wer einen anderen bedingungslos liebt und annimmt, ist in der Lage, ihm Hoffnung zu vermitteln. Diese Überzeugung sprechen sowohl der Jude Paulus als auch die Bhagavad Gita aus.
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D) Eine neue Spiritualität für uns und unsere Kind
Wie soll eine Neue Spiritualität für uns und unsere Kinder aussehen? Es war uns klar, dass es notwendig ist, gemeinsam zu fragen, zu denken, aber auch mitzuträumen. Bald erhoben sich zwei Fragen: erstens: wie stellen wir uns eine Neue Spiritualität vor? Was für ein Menschenbild setzen wir voraus? und zweitens: wie schaffen wir eine gewaltfreie Zukunft in einer gewaltfreien Gesellschaft bzw. Welt? Nahe liegend schien uns die Frage: was war „falsch“ an der alten Spiritualität? Brauchen wir etwa einen „neuen Geist“? Müssten wir nicht unser Menschenbild überdenken bzw. unter die Lupe nehmen? Wir hatten uns in früheren Gesprächen darüber geeinigt, dass es um die Suche nach dem inneren Menschen geht, dem Menschen, der den Weg zu sich selbst sucht. Ein neues Menschenbild bzw. eine neue Spiritualität hat mit unseren Grundüberzeugungen (Stichworte: Weltanschauung, Glauben), mit der eigenen Geschichte sowie mit unseren Lebensumständen zu tun. Feststeht, dass wir in einer globalen Welt leben, die nicht nur aus Christen sondern auch aus Atheisten und Agnostikern besteht. Wir leben in einer pluralen Welt. Wir sollten aus der Geschichte lernen. Aber nach Auschwitz sind die Fragen nach dem Sinn des Lebens oder nach Gott nicht einfach zu beantworten (man hat gefragt, ob Theologie nach Auschwitz möglich wäre). Was die Lebensumstände angeht: die Kluft zwischen Arm und Reich wird stets größer. Aber wir wissen, dass der Skandal der Armut eine Frage der Verteilung von Gütern ist. Wie könnte ein neues Menschenbild aussehen? Ein neues Menschenbild fragt nach einer neuen Fähigkeit zu träumen. Der Mensch, sagte Karl Rahner, ist die absolute Offenheit zum Sein. Sonst sind wir eine meckernde Meute, die nicht nach vorne schaut. Wie verbreitet man Hoffnung? Dies beinhaltet vor allem: etwas zu wagen, d.h. unsere Träume in die Realität umzusetzen. Wir sollten nicht vergessen, dass wir heute durch die Gnade derjenigen Menschen leben, die gesagt haben, das Leben hat einen Sinn, es geht weiter. Dies haben wir schon als Säuglinge empfunden, im Schoss unserer Familien. Die zweite Frage: Wo fängt die Gewaltfreiheit an? Die Antwort auf diese Frage hat mit unserem Menschenbild, aber auch mit unserem Weltbild und Zukunftsbild zu tun. Rousseau meinte, die menschliche Gesellschaft sei am Anfang „edel“ gewesen (le noble sauvage). Thomas Hobbes meinte dagegen, das menschliche Leben sei anfangs „poor, solitary, nasty, brutish and short“. Beide plädierten für eine „menschlichere“ Gesellschaft! Auch die Inder meinen, es gab Zeitalter, die viel menschlicher waren! Gandhi war der Ansicht, dass das Bejahen eines Menschen die Bereitschaft impliziert, sein Leid auf sich zu nehmen (Sowohl die Gita als auch die Bergpredigt stimmen darin überein). Ist die Antwort auf die Frage nicht viel einfacher und radikaler? Gewaltfreiheit fängt dort an, wo der Mensch sein Gegenüber bedingungslos bejaht und akzeptiert. Das sollte man schon zu Hause erfahren, in der Familie.. Die Äußerung Nietzsches ist bezeichnend. Er meinte (sinngemäß), er würde gerne an die Erlösung durch Christus glauben, wenn die Christen nicht so unerlöst aussehen würden. Denn ein gewaltfreier Mensch ist innerlich frei und strahlt dies aus. So soll Gautama der Buddha gewesen sein, wie auch viele Menschen, die als Heilige gelten. Gewaltfreiheit sollte selbst – verständlich sein. Das bedingungslose Bejahen eines Menschen ist auch die Definition der wahren Liebe. Wie die Liebe will die Gewaltfreiheit gelernt und eingeübt sein. Beides fängt im Kleinen an. Das ist keine Utopie – Gewaltfreiheit ist lernbar. Wir wollen alle „gute Menschen“ sein. Am Ende der Sitzung wurde die Frage gestellt: woher kommt das Gute?
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d) Sterben, Tod und Jenseitshoffnung f) Woher kommt das Gute
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