Themen dieses Kapitels:



Hirnforschung – Frage nach einem neuen Menschenbild.
Der Mensch als soziale Ich-Maschine
Mensch und Transzendenz



A)

HIRNFORSCHUNG und die Frage nach dem Menschen als GEISTIGES WESEN. Philosophische Überlegungen zur Frage nach der Geistesgeschichte der Menschheit. Eine kurze Erklärung dazu: Bei unserem Gespräch am 16 Februar 2011 haben wir festgestellt, dass der strenge (alte)Dualismus (Leib/Seele, Körper/Geist) nicht mehr haltbar ist. Es geht nicht nur um ein radikal neues Denken über den Menschen, sondern gleichzeitig um die Frage: was bedeuten nun Begriffe, die wir täglich gebrauchen (wie das Ich, Selbstbewusstsein, Psyche, Mentalität usw.)? Gibt es ein Ich, bzw. ein Selbst? Der oben genannte Dualismus diente außerdem Antworten auf die Frage nach dem Sinn des Lebens (wie viele von uns haben gelernt, bzw. gehofft und geglaubt, dass die „Seele“ nach dem Tod in einer anderen Welt weiterlebt bzw. wieder geboren wird?) Das sich anschließende Thema:
Das NEUE MENSCHENBILD und die Frage nach der TRANSZENDENZ: die heiße Diskussion zwischen Gottgläubigen und Gottgegnern (auch bei den Indern und Chinesen)
(Dies wäre m. E. die Frage nach einer neuen Metaphysik für die Gegenwart)


Diese Zusammenfassung besteht aus folgenden Abschnitten:
a. Wir leben in welthistorischen Zeiten
b. Was ist menschlicher Geist?
c. Ist der Mensch (auch) eine Maschine? Wie sieht der philosophische Diskurs
heute aus?

a. Es lag auf der Hand, dass man am Anfang der Sitzung in einem kurzen Austausch auf die veränderte Weltsituation zu sprechen kam. Etwa zwei bis vier Wochen vor der Sitzung wurde nicht nur Europa sondern die ganze Welt durch die Ereignisse in Nordafrika und dem Nahen Osten sehr überrascht und sogar in Erstaunen versetzt. Wer hätte es vor fünf Jahren für
möglich gehalten, dass es in so vielen arabischsprachigen Ländern zu Massenprotesten gegen die Diktatoren und zu eindrucksvollen Demonstrationen für Freiheit und Demokratie kommen wird? Wurden wir falsch informiert? Hat man uns ein falsches Bild von diesen Menschen vermittelt? Hatten wir nicht den Mut, den Diktatoren ins Gewissen zu reden?
Die Atomkatastrophe in Fukushima hat sogar unsere eigene Welt- und Lebenssicht verändert. Wer kann gewissenhaft die These vertreten, die Atommeiler seien „sicher“? Hat man uns auch hier falsch informiert? In beiden Fällen wäre die philosophische Frage: sind wir der Wahrheit näher? Hoffentlich.!
b. Bevor wir den Faden von der vorigen Sitzung aufnahmen, haben wir einen zunächst verblüffenden Bericht in TIME zur Kenntnis genommen: nach Ansicht von einer Forscher-gruppe in den Vereinigten Staaten ist man soweit heute, dass man voraussagen kann, dass der Mensch im Jahr 2045 unsterblich wird Wir stellten fest, dass wir in unseren Untersuchungen noch nicht so weit sind!
Am Ende der vorigen Sitzung ist eine Grundfrage offen geblieben: was ist menschlicher Geist? Denn unsere Beschäftigung mit der Hirnforschung hat uns (überzeugend?) gezeigt, dass Gehirn- und geistige Leistungen voneinander nicht zu trennen sind. Aber wann genau kann man von „Geist“ sprechen? Die heutige Hirnforschung hat ebenfalls gezeigt, dass es keinen „Sprung“ von Gehirn zum Geist gibt. Doch sind wir überzeugt, dass unter „Geist“ der Kern des Menschseins angedeutet wird. (Dies wurde traditionell in der abendländisch – christlichen Tradition so ausgedrückt: Gott habe den Menschen als sein Ebenbild erschaffen. Dies wurde später so interpretiert: der Mensch habe eine „ewige, unsterbliche Seele“. Das Tier ist keine Person. Infolgedessen darf man Tiere töten und das Fleisch essen).
In unserem Gespräch waren wir einig, jeder von uns soll (an) sich selbst die Frage stellen: wie erlebe ich mich selbst als Mensch? Dies bedeutet: jeder kann (muss!) mitreden!
Wir nahmen die Ansichten von zwei Philosophen unter die Lupe: A. Kemmerling (Heidel-berg) und Karl Popper. Kemmerling, dessen Ansichten vermutlich für eine Reihe von heutigen Akademikern repräsentativ sind, stellt als Faktum fest: ‚Menschlicher Geist ist etwas wesentlich Personales, auch wenn menschlicher Geist selbst nicht die Person, sondern etwas aus der Person des Menschen Abstrahiertes ist’. Nach seiner Auffassung kommen personale Eigenschaften dem ganzen Menschen zu. Wenn gewisse Naturwissenschaftler damit Probleme haben, meint er: ‚billiger ist der Begriff nicht zu haben’. Dies wird von Menschen, die den Geist als ein „rechnendes Gehirn“ betrachten, missachtet. Was das Gehirn leistet, sei subpersonal. Er räumt ein, wir haben keine vollständige Antwort auf die Frage.
Karl Popper ist uns kein Unbekannter. Er weist darauf hin, dass Begriffe wie Ich, Person, Persönlichkeit, Bewusstsein, Geist zusammengehören. Auch der Begriff „Seele“ gehört dazu.
Aber Popper will nicht über Worte streiten. Ihm gefallen die Worte eines großen Biologen: „ich weiß, dass ich lebe. Ich besitze die Eigenschaften des Selbstbewusstseins und des Todesbewusstseins“. Popper schließt sich an: „jeder von uns ist sich dessen bewusst, ein Ich zu sein“ und weiter „Diese Selbst- oder Ich-Identität hängt eng mit der Ich-Identität unseres Körpers zusammen“. Denn er ist überzeugt, „dass es ein Ich gibt“. Er setzt sich mit David Hume auseinander, für den (und für viele andere bis in die heutige Zeit!) die Existenz eines Ich höchst problematisch ist. Hume selbst kommt ohne den Begriff nicht aus, denn er redet von „Charakter“. Popper meint, dass das Gedächtnis in diesem Zusammenhang von Bedeutung ist. Verblüffend ist Poppers Bemerkung: ‚Offensichtlich „erinnern“ wir uns nicht fortwährend an unser früheres Ich (unsere früheren „Iche“)’. (Literaturangabe unten)
c. In dem anschließenden Meinungsaustausch haben wir versucht, die weit auseinander-
gehenden Ansichten der Gegenwart (d. h. der philosophische Diskurs) zu überblicken. An einem Ende des Spektrums stehen die Ansichten, die bereits oben angedeutet wurden. Gewisse Kreise in den Vereinigten Staaten, die sich durchaus für hochwissenschaftlich halten.
meinen, dass die technischen Entwicklungen heute die Prognose zulassen, der Mensch könnte im Jahr 2045 unsterblich werden (sein?). Was haben diese Menschen für ein Menschenbild?,
Etwas vereinfacht kann man sagen: der Mensch ist im Grunde eine berechenbare Maschine! In diesem Zusammenhang sprachen wir über einen Bericht aus den U.S.A., in dem erzählt wurde, der IBM – Computer „Watson“ habe zwei Fernsehquizteilnehmer geschlagen. Wird damit gesagt, dass eine Maschine so „intelligent“ sein kann, dass sie Menschen überlegen ist?
Interessant für uns ist die Ansicht des Leiters der IBM – Forschergruppe, die den
Watsoncomputer gebaut hat. Der Amerikaner, David Ferrucci, meint, der Computer (d.h. die Maschine) kann nur das wiedergeben, was man ihm vorher „beigebracht“ habe. Er wurde gefragt, ob er einen Computer-mit-Bewusstsein für möglich hält. Er meint (sinngemäß): in der Kneipe („over beers“) könnte ich stundenlang darüber reden. „Aber das ist eine Frage, die man am besten einer philosophischen Behandlung überlässt“.
Am anderen Ende des Spektrums kann man sagen, befinden sich Menschen, die (wie wir bislang!) die traditionellen Denkmuster pflegen und, geprägt durch ihre Erziehung, die Aussicht auf ein „Leben nach dem Tod“ durchaus für möglich und wünschenswert halten.
Es liegt nahe, dass für diese Menschen der Mensch absolut keine Maschine ist, sondern wesentlich „Geist“, d.h. im klassischen Sinne: etwas Immaterielles, Vernünftiges, Spirituelles, Selbstbewusstes, auf das Ewige bzw. auf die Transzendenz ausgerichtet.
Auf dem Riesengebiet zwischen den genannten Enden des Spektrums stehen die meisten der heutigen Menschen, die, wie in unseren Gesprächen, sich hin – und - her bewegen und eine Antwort suchen.
Angesichts der Unübersichtlichkeit des heutigen Diskurses müssen wir in SATYAKAMA versuchen, unsere(n) eigene(n) Weg(e) zu suchen. Am Ende der Sitzung wurde gefragt: kann
man sagen, dass beide Seiten an etwas „glauben“ (grob gesagt: gottgläubig bzw. wissen-schaftsgläubig)?. Was heißt „Glauben“?



B

) I) ICH – IDENTITÄT, PERSON und die Frage nach dem Menschen als ein (in technischem Sinne!) berechenbares Wesen (TIME – MAGAZIN vom 21. Februar 2011, Titelblatt: „2045 – das Jahr (in dem) der Mensch unsterblich wird) bzw. die Frage nach dem Menschen als „das Ausgerichtet - Sein auf das Absolute“ (Stichworte: Transzendenz, Glaube, Religionen).
II) Der philosophische Diskurs der Gegenwart und dessen Bedeutung für eine Welt nach FUKUSHIMA und GADDAFI.


Diese Zusammenfassung besteht aus folgenden Abschnitten:
a. Kurzer Rückblick: Die zwei Pole des Diskurses
b. Die Frage nach dem Entstehung der „sozialen Ich-Maschine“

a. Zunächst wurde auf den Diskussionsstand vom März 2011 hingewiesen. Wenn man über das heutige Menschenbild im philosophischen Diskurs redet, wäre auf der einen Seite festzustellen, dass eine kleine Gruppe von Forschern den Menschen als eine berechenbare Maschine betrachtet. Andererseits ist festzustellen, dass viele Menschen heute (immer noch!) den Menschen (in weitestem Sinne) als „Geschöpf Gottes“ betrachten, das letztlich auf die Ewigkeit bzw. Transzendenz ausgerichtet ist. Es fällt auf, dass beide Gruppen überzeugt sind, dass der Mensch auf irgendeiner Weise die Unsterblichkeit erlangen kann. Dies hat sicherlich mit dem jeweiligen Menschenbild zu tun. Das hat aber erst recht mit uns (d. h. den Satyakama – Anwesenden) zu tun. Denn, wie wir mehrfach betonten, gibt es keine Instanz, die uns ein bestimmtes Menschenbild aufzwingen kann. In dieser Diskussionsphase war es notwendig zu fragen, was „wir“ (d. h. der Kreis) als den Kern des Menschseins betrachten. In dem anschließenden Gedankenaustausch kamen einige Begriffe zur Sprache: z. B. wenn man sagt, dass der Mensch „Geist“ bzw. „geistig“ ist, wird unmittelbar der Begriff „Person“ gebraucht, die sich selbst als „Ich“ bezeichnet. Damit werden Begriffe wie Ich- Bewusstsein bzw. Ich – Identität hervorgerufen. Andererseits wird durch den Begriff „Geist“ impliziert, dass der Mensch über Vernunft und freien Willen verfügt, d. h. dass der Mensch frei ist. In diesem Zusammenhang redet man von dem Menschen als „Subjekt“ und von seiner „Subjektivität“. ((Es liegt nahe, dass wir Zeit brauchen (werden), um diese Fragen zu klären)). Es wurde darauf hingewiesen, dass die genannten Fragen das Entstehen einer menschlichen Kultur voraussetzen.

b. Wir nahmen einen aufschlussreichen Artikel aus „Die Zeit“, der sich mit der Zentralfrage nach dem Menschsein beschäftigt (mit dem Titel: „Die soziale Ich- Maschine“) unter die Lupe. Der Forscher, W. Prinz (Kognitionspsychologie), ist der Meinung, das „das Kardinal-problem funktioneller Hirnforschung“, nämlich die Frage „Wie können meine inneren Zustände auf etwas in der äußeren Welt referieren?“ von niemandem befriedigend beantwortet werden kann. Obwohl Prinz einerseits sagt „Gehirne sind Maschinen“ meint er andererseits, dass, wenn man „anderen Personen Subjektivität“ zuschreibt, dies mit der klassischen Sicht zu tun hat, dass andere ähnlich „wie ich“ sind. Er schlägt vor, die Sache umzudrehen: „Vielleicht entdecken wir die Subjektivität bei anderen und schreiben sie uns erst dann selbst zu“. Prinz spricht von einem Prozess der „sozialen Spiegelung“, gibt dennoch zu, dass es dafür „keine harten Fakten“ gibt. In Zusammenhang mit der Entstehung des Ichs will Prinz kulturelle Unterschiede festgestellt haben („asiatische Kulturen funktionieren anders“). Da „nicht alle Selbste gleich sind“, meint er, dass „das Ich ein Konstrukt ist, das im sozialen Text entsteht“ (S. das Beispiel von Kaspar Hauser). Prinz neigt zur Auffassung von Verhaltensforschern wie Skinner, dass der Mensch von außen beeinflusst wird – es gibt keine absolute innere Freiheit. Der Mensch ist „auch eine Maschine, aber eine sehr variable“. Aber diese Maschine „erfindet“ „ihre Lebenswelt kollektiv“. Das ist der „eigentliche Clou bei kulturellen Prozessen“. Dennoch: „Willensfreiheit ist eine gesellschaftliche Institution, die wir in unserem Kulturkreis erzeugen – und das sehr erfolgreich“. Freiheit gibt es innerhalb einer sozialen Praxis. Der Mensch ist in seinen Entscheidungen determiniert (man fragt sich: worüber reden die vielen Dichter der Weltliteratur – ist jede Liebeserklärung determiniert?)
Institutionen, meint Prinz, „sind genauso real wie Naturtatsachen, weil sie unser Verhalten bestimmen“. „Wir schreiben uns den freien Willen zu, und deshalb ist er ‚real’“. Es lag auf der Hand, dass die Diskussion sehr kontrovers gelaufen ist.



C)

Die interkulturelle Frage nach dem Menschen als „das Ausgerichtet - Sein auf das Absolute“ (Stichworte: Transzendenz, Glaube, Religionen). Fortsetzung der Diskussion über das uneinheitliche Bild des Menschen im heutigen philosophischen Diskurs. Ist der Mensch eine „soziale Ich – Maschine?



Diese Zusammenfassung besteht aus folgenden Abschnitten:
Zwischen Transzendenz und Glauben: der traditionelle Diskurs


Verabredet wurde , dass der andere Pol des heutigen philosophischen Diskurses zur Sprache kommt, nämlich die Frage der Transzendenz, des Glaubens bzw. der traditionellen Religiosität. Zunächst folgte ein Rückblick auf die in mehreren Sitzungen erörterten Fragen des menschlichen Daseins: nach Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.
Abhängig davon, wie diese Fragen beantwortet werden, ergeben sich das jeweilige
Menschenbild und Weltbild einer Kultur. Da das menschliche Leben und Schicksal sich zwischen Geburt und Tod abspielt, wird der Mensch sich von Anfang an stets bewusst, dass seinen Antworten auf die Fragen eindeutige Grenzen gesetzt sind. Erst hier ergibt sich die Frage nach der Transzendenz, d. h. die Frage, ob möglicherweise Antworten außerhalb der Grenzen zu finden sind. Die spezifischen Fragen des menschlichen Daseins nach den Möglichkeiten des Wissens, dem ethischen Handeln und der Hoffnung hat Immanuel Kant in dem Satz zusammengefasst: was ist der Mensch? In mehreren Sitzungen wurde auf diese Frage eingegangen und festgestellt, dass die Frage aller Fragen sein muss: hat das (menschliche) Leben überhaupt einen Sinn? Wenn die traditionellen Religionen
(„Weltreligionen“) sich auf eine Antwort, die von außerhalb der Grenzen menschlicher
Erfahrung („jenseits“) auf den Menschen zukommt („Offenbarung“) berufen, so ist damit der traditionelle Transzendenzbegriff gegeben. Die Antwort ist zugleich eine Glaubensaussage (etwa: „ich glaube an den einen Gott“) und eine Sinnaussage (etwa: „mein Glaube gibt meinem Leben einen Sinn“). Angesichts der weitverbreiteten Skepsis gegenüber den traditionellen Antworten, drängt sich die (sehr vernachlässigte!) philosophische Grundfrage auf: warum soll der Mensch überhaupt glauben? Eine erste Antwort wäre: weil er nach Sinn sucht. In mehreren Sitzungen wurde festgestellt: philosophisch betrachtet, ist der Mensch ein Wesen, dass seinem Leben einen Sinn geben muss. Ist er soweit, dann glaubt er daran. Dies bedeutet, dass die Frage nach dem Sinn zugleich auch eine Frage nach dem Glaubhaften ist. Mit anderen Worten: der Mensch glaubt, und muss glauben, weil er seinen Lebenssinn gesucht und gefunden hat. (Vielleicht ist die Grundaussage des Glaubens: Ja, das Leben hat einen Sinn. Wie ich es einmal formulierte: wir leben heute durch die Gnade der Menschen, die das vor uns gesagt haben und danach lebten)
Dies ist die Grundvoraussetzung für ein erfülltes Leben. Man kann sagen: dies vereint Menschen zwischen beiden Polen des Diskurses, denn auch der überzeugte „Nichtgläubige“, sei er „Atheist“, Materialist“, “Nihilist“ oder Agnostiker glaubt, dass sein Leben einen Sinn hat. Dies ist die Basis, auf der Andersdenkende bzw. Unterschiedlichdenkende sich treffen können – als Menschen.





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Druckbare Version

n) Geist und Gehirn
p) Menschliche Natur in chinesischer Philosophie